Seiner Eigenwerbung zum Trotz erweisen sich Figaros Ideen als wenig hilfreich, als er Graf Almaviva dabei unterstutzen soll, die Hand Rosinas zu gewinnen. Rosina lebt nämlich eingesperrt bei ihrem Vormund Bartolo, der sich ihr Vermögen sichern will, indem er sie selbst heiratet. Alle Plane Figaros, wie Almaviva seiner Angebeteten näherkommen konnte, scheitern auf – für das Publikum – amüsanteste Weise. Letztlich machen Geld und Macht den Grafen zum Sieger in diesem Kampf, der für ihn selbst ein Spiel, für Bartolo aber bitterer Ernst ist.
Ursprünglich hieß die Oper Almaviva, o sia L’inutile precauzione (Almaviva oder Die nutzlose Vorsicht) – Hauptfigur war also Graf Almaviva. Schnell fokussierte sich die Publikumsliebe jedoch auf den extrovertierten Barbier. Dazu trug bei, dass die große Arie des Grafen »Cessa di più resistere« wegen ihrer Lange und immensen Schwierigkeit oft gestrichenen wurde. Tatsachlich sind es aber nicht die immer wieder eskalierenden Strategien des Barbiers, sondern die Machtmittel des Adligen, die seiner Liebe zum Sieg verhelfen.
Die Oper beruht auf dem 1775 uraufgeführten gleichnamigen Stuck von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais. Dieser verwandelte Figurentypen und Handlungselementen der italienischen Stegreifkomödie, der Commedia dell’arte, zunächst in eine Opera comique, dann in eine Prosa-Komödie, in die auch Eindrucke einer Spanieneinreise eingegangen sind. Später wurde das Stück zum ersten Teil von Beaumarchais’ Figaro-Trilogie.
Ihre enorme Buhnenwirksamkeit verdankt die Oper auch dem Libretto von Cesare Sterbini, das Rossini mit idealen Musizier-Anlässen versorgt, so auch für eine seiner berühmten ›Crescendo-Walzen‹: Bartolos Verbündeter Basilio zeichnet in seiner »Verleumdungsarie« detailliert die Entwicklung eines Gerüchtes nach, vom leisen Flüstern bis zur Explosion eines ›Shitstorms‹. Und im Finale des 1. Akts beschwort der Text der Oper das Bild einer »Höllenschmiede«, das die Musik mit dem Klang von Hämmern und Ambossen genüsslich ausmalt.
Nach 55 Jahren kommt eine neue Produktion von Rossinis Meisterwerk Il barbiere di Siviglia ans Haus am Ring: Am 28. September 2021 feiert die von Michele Mariotti dirigierte Produktion ihre Premiere, erstmals inszeniert Herbert Fritsch an der Wiener Staatsoper. Mariotti, der sich ausgehend vom Belcanto-Repertoire einen großen Namen gemacht hat und an allen wichtigen Häusern von der New Yorker Met über die Mailänder Scala bis zum Londoner Royal Opera House zu Gast ist, wird am Premierenabend sein Staatsopern-Hausdebüt geben.
Und Herbert Fritsch, dessen vielfach auszeichnete künstlerische Bandbreite vom Schauspiel über Bühnenbildgestaltung bis zur Inszenierung reicht, gilt als Meister des intelligent-doppelbödigen wie körperbetont burlesken Humors.
Regieportrait Herbert Fritsch
»Es stimmt ja gar nicht, dass Schauspieler immer nur gemocht werden wollen. Ich finde es gut, wenn man da unten eine Meute vor sich hat, die kurz davor ist, einen totzuschlagen. Man schwingt wie ein Matador vor dem Publikum das rote Tuch« – sagte Herbert Fritsch im Rückblick auf seine Ensemblemitgliedschaft an Frank Castorfs Berliner Volksbühne 1990 bis 2007, jenem Theater, an dem ihm 2011 mit Die (s)panische Fliege auch der Durchbruch als Regisseur gelang. Mittlerweile ist er auch im Opernbetrieb höchst erfolgreich unterwegs. In einem Regieportrait stellt Dramaturg Nikolaus Stenitzer am 26. September (11 Uhr im Gustav Mahler-Saal) sein Schaffen im Gespräch mit dem Künstler und anhand von Videosequenzen wichtiger Arbeiten vor.
Musikalische Leitung Michele Mariotti
Inszenierung und Bühne Herbert Fritsch
Kostüme Victoria Behr
Licht Carsten Sander
Graf Almaviva Juan Diego Flórez
Bartolo Paolo Bordogna
Rosina Vasilisa Berzhanskaya
Don Basilio Ildar Abdrazakov
Figaro Étienne Dupuis
Ambrogio Ruth Brauer
Fiorello Stefan Astakhov
Berta Aurora Marthens
Offizier Alejandro Pizarro-Enríquez
28. September, 1., 4., 7., 10., 14. Oktober
Il barbiere di Siviglia im Radio, TV und als Stream
Die Premiere am 28. September 2021 wird ab 19.00 Uhr live auf Radio Ö1 übertragen, am 9. Oktober 2021 wird die Neuproduktion um 20.15 Uhr im Hauptabendprogramm in ORF 2 gesendet.
ARTE strahlt den neuen Barbiere am 28. November 2021 aus und bietet ab diesem Tag einen Stream auf der Online-Plattform ARTE Concert an.