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Premierenwochenende im Schauspielhaus Magdeburg

zwei Premieren stehen am nächsten Wochenende - Freitag, 7., und Sonnabend, 8. April, im Schauspielhaus auf dem Program:

"Die Wahlverwandtschaften" nach dem gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang von Goethe. Premiere: Freitag, 7. April, 19.30 Uhr, im Studio.

"Raststätte oder Sie machens alle" von Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek am Sonnabend, 8. April, 19.30 Uhr auf der Bühne im Schauspielhaus.

Planspiel Liebe

Karl Georg Kayer inszeniert »Die Wahlverwandtschaften« nach dem gleichnamigen Roman von Johann Wolfgang von Goethe mit Katrin Wunderlich und Bernd-Michael Baier sowie Anna Hertz und Thomas Fritz Jung in den Hauptrollen. Premiere ist am kommenden Freitag, 7. April, 19.30 Uhr, im Schauspielhaus. Die zweite Vorstellung läuft am Sonntag, 9. April, 19.30 Uhr.

»Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand, und wie wäre der möglich ohne Liebe.« - 1809 schockierte Goethe seine Zeitgenossen mit einem Roman über Liebe, Ehe und Moral, der in seiner Offenheit höchst modern und revolutionär war: Eduard (gespielt von Bernd-Michael Baier) und Charlotte (Katrin Wunderlich) sind spät und glücklich verheiratet. Ihr Leben auf einem abgeschiedenen Landgut verläuft nach Plan. Als jedoch Eduards Freund Otto (Thomas Fritz Jung) und Charlottes Nichte Ottilie (Anna Hertz) den Sommer bei dem Ehepaar verbringen, entstehen rasch emotionale Verwicklungen. Aufkeimende Liebe erschafft zwei Wahlpaare, denen die Ehe Charlottes und Eduards bald im Wege steht. Was als ein kühles Experiment begonnen hat, zwingt alle in einen verzehrenden Kampf gegen Liebesbegehren und aufbrechende Leidenschaft. Gefühl und Verstand geraten aus den Fugen...

In seinem Alterswerk "Die Wahlverwandtschaften", das aus der Arbeit an der Fortsetzung des "Wilhelm Meister" hervorgegangen war, gestaltete Goethe den tragischen Konflikt zwischen Naturmacht und moralischer Ordnung. Der Titel »Wahlverwandtschaften« entstammt der Chemie jener Zeit. Gibt man zwei verwandten Stoffen A und B einen dritten Stoff C hinzu und besitzt dieser eine stärkere Verwandtschaft zu A als A zu B, so verbinden sich A und C wahlverwandtschaftlich. Eduard ist von der Idee der Wahlverwandtschaften überzeugt und glaubt, sie auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen zu können. Das soziale Experiment endet allerdings tragisch, da die Gesellschaft nicht jene Bindungsfreiheit zulässt, die für chemische Wahlverwandtschaften notwendig sind.

Der Roman stellt ein zeitloses Experiment mit dem menschlichen Leidenschaften und der Liebe dar. Können wir Menschen unsere Zukunft planen (oder hätte die Katastrophe von den Protagonisten in freier Selbstbestimmung verhindert werden können), oder unterliegen die Menschen dem Zwang des Naturgesetzes und somit Mächten, die nicht steuerbar sind?

Der Stoff ist auch immer wieder verfilmt worden, so 1975 von der DEFA mit Beata Tyszkiewicz und Hilmar Thate, 1981 unter der Regie von Claude Chabrol und 1996 von den Regie-Brüdern Paolo und Vittorio Taviani.

 

 

Furios-böses Sex-Verwechslungsspiel

Lukas Langhoff inszeniert Elfriede Jelineks Sex-Farce „Raststätte oder Sie machens alle“. Premiere ist am Sonnabend, 8. April, 19.30 Uhr, im Schaupielhaus. Die zweite Vorstellung läuft am Sonntag, 9. April, 19.30 Uhr. Für beide Abende gibt es noch Karten.

Claudia und Isolde wollen mal die Sau rauslassen, und zwar richtig. Frustriert von den öden Hausaufgaben im Ehebett suchen sie den ultimativen Sexkick. Dazu haben sie sich per Kontaktanzeige zum Blind Date in einer Autobahnraststätte mit zwei tierisch guten Stechern verabredet, einem Elch und einem Bären. Von ihren ahnungslosen Gatten werden sie im Mercedes zu dem pikanten Rendezvous kutschiert. Während die beiden Hausfrauen zum schmutzigen und harten Sex im Autobahnklo verschwinden, sind sich die selbstgefälligen Ehemänner als stolze Konto- und Penisinhaber ihrer Besitzstandsrechte auf das Fleisch ihrer Frauen allzu sicher. Erst ein kupplerischer Kellner öffnet ihnen die Augen. Also borgen sie sich die Felle von den verabredungsgemäß auftauchenden Tieren, und ab geht’s auf die Toilette. Die hochfliegenden Erwartungen der Ehefrauen können die beiden naturgemäß nicht befriedigen… Es spielen Iris Albrecht, Annett Sawallisch, Frank Auerbach, Jon-Kaare Koppe sowie Gisela Hess, Wolfgang Vogler, Jochen Gehle und Überraschungsgäste.

Die Sex-Farce der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek ist eine bitterbös-komische Abrechnung mit den kleinbürgerlichen Träumen vom großen Exzess.

Die Provokation gehört zu Jelineks bevorzugten Arbeitsmitteln, vielen gilt sie geradezu als Ikone der Provokation. Das führt fast notwendig zu den vielen Missverständnissen, die sozusagen ihren Weg pflastern. Zur Uraufführung von „Raststätte oder Sie machens alle“ nennt die Boulevardpresse Elfriede Jelinek eine „Sexorzistin“. Dabei treibt die Autorin in dem Stück nur auf die Spitze, was einem in jeder brav-bürgerlichen Illustrierten, auf Plakatwänden und in Bahnhofskiosken entgegenschreit und auf den einschlägigen Kanälen spätestens ab 23 Uhr in die Wohnzimmer flimmert: Sex wird zur Ware und der menschliche Körper zum Konsumartikel. „Raststätte“ als konsequente Fortsetzung von Mozarts „Così fan tutte“ zeigt, wie die Sehnsucht nach der erotischen Grenzüberschreitung zur egoistischen, durch die Medien vorgebildeten Jagd nach dem maximalen Lustkick werden kann. Mit einer rasenden Komik und viel Mut zur Drastik bedient sich Jelinek dafür einer wild wuchernden Sprache, metaphernsatt, voller Kalauer und Wortverdrehungen, vorangetrieben von kühnen Assoziationen und Wortspielen. Collageartig hart aneinander geschnitten findet man in dieser Sprache Anklänge an und Zitate aus Philosophie, Pornographie, Redensarten, Bibel, Groschenromanen, Comics, Sportberichterstattung, Werbung, Seifenopern und vielem mehr. Indem sie triviale wie hochkulturelle Sprachmuster aufgreift und – gut gerüttelt und gemixt – weiterverarbeitet, werden diese entlarvt, zeigen sich Risse und Abgründe hinter dem schönen Schein.

 

Regie Lukas Langhoff Bühne Alexander Wolf Kostüme Sara Mine Korn

 

Die zweiten Vorstellungen beider Inszenierungen laufen am Sonntag, 9. April, 19.30 Uhr.

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