Leitthema des Abends ist Kafkas Roman „Das Schloß“, Mario Schröder geht dabei in seiner Adaption den Fragen nach, wie fühlt man sich, wenn man in eine fremde Gesellschaft kommt, die einem abweisend und feindlich gegenübersteht, wenn man zu deren herrschenden Instanzen und Gewalten keinen Zugang zu bekommen scheint, wenn das eigene Tun keinen Sinn mehr macht und die eigene Existenz zu einem bürokratischen Verwaltungsakt verkommt?
Und wie verhält man sich, wenn man bemerkt, dass man gar keine Möglichkeit hat, sich solch einem System zu entziehen, wenn man erkennt, dass man dessen Regeln und Mechanismen unterworfen ist und sich die Entmündigung und Erniedrigung des Individuums bereits weitgehend vollzogen hat?
Rebellion oder Kapitulation? Das scheint hier die Frage ... K.s maßlos-mutiger Wunsch, „Ich will immer frei sein“, kollidiert auch heute noch mit der ernüchternden Antwort der Romanvorlage: „Du kennst das Schloss nicht“ ...
„Kafkaesk“ ... Wenn die Nachwelt aus dem Namen eines Schriftstellers ein Adjektiv formt, dann scheint ihm mit seiner Kunst das Höchste gelungen zu sein: eine Beschreibung der Welt zu vermitteln, die es vorher so noch nicht gab, ein eigenes und in sich geschlossenes System erstellt zu haben, das mit dem einen Ausdruck treffend charakterisiert werden kann.
Die „kafkaeske“ Welt des jüdischen Prager Versicherungsangestellten Franz Kafka (1883-1924), die dieser mit seinen Erzählungen und den drei großen Romanen – „Der Prozess“, „Amerika“ und „Das Schloß“ – entwirft, ist eine solch neue Weltsicht und zudem von äußerster Radikalität. Kafka definiert die menschliche Existenz in der Moderne als einen einzigen Albtraum, in dem alles scheinbar Normale und Vernünfti-ge sich ins Absurde verkehrt und aus dessen labyrinthischer Logik es kein Erwachen und Entkommen gibt.
Die beklemmenden Erfahrungen, die Kafka den Landvermesser K. in seinem „opus magnum“ – dem Roman „Das Schloss“ – durchleben lässt, haben Mario Schröder und seinen Ausstatter Andreas Auerbach zu einem ebenso realen wie surrealen Tanzabend inspiriert, der in einem Prolog und sieben Bildern den alltäglichen Wahnsinn heutiger System- und Kontrollzwänge freizulegen sucht.
INSZENIERUNG UND CHOREOGRAFIE: Mario Schröder
BÜHNENBILD: Andreas Auerbach
KOSTÜME: Sönke Müller
MUSIK: verschiedene vom Band
MIT dem Ballett Kiel