Da stehen sie, die Flüchtlinge, am Rand des Wassers und hoffen verzweifelt, noch auf eines der Schiffe zu kommen, die sie in Sicherheit bringen sollen. Zeit und Ort der Handlung sind aber nicht heute irgendwo in Afrika, sondern 1942 im Hafen von Lissabon. Zum 50. Todestag von Remarque zeigt die Inszenierung von Dominique Schnizer, wie aktuell dieser Bericht eines Geflüchteten tragischer Weise auch heute noch ist. Die Hauptfigur, ein Mann namens Schwarz, spricht uns direkt an und will einen Handel mit uns eingehen, wenn wir nur eine Nacht lang seiner Lebensgeschichte zuhören. Dass seine Erinnerungen an die Flucht aus Osnabrück komplex und emotional sind, zeigt auch eine eigenständige Bildebene in den Videoprojektionen, mit denen die Inszenierung arbeitet und zu der sich Schwarz immer wieder in Verbindung setzt. Geschichte und Gegenwart fangen so an, zueinander zu sprechen. Und wir, die wir zu Zeugen von Schwarz‘ Erzählung werden, müssen uns am Ende fragen, wie nun wir mit der Verantwortung dieser Erinnerung umgehen.
Schauspieldirektor Dominique Schnizer reizt an Remarques vorletztem Roman (erschienen 1962) der Kontrast zwischen dem Lokalkolorit Osnabrücks, den man hier als vertraute Atmosphäre voraussetzen kann, und dem teils morbiden Charme Lissabons, einer Stadt am Rande Europas, in deren Architektur auch heute noch eine grandiose Vergangenheit und eine unsichere Zukunft eingeschrieben sind. Dieses Spannungsfeld zwischen Heimat und Fremde ist der eigentliche Schauplatz einer Erzählung über das menschliche Geworfensein inmitten einer unerbittlichen Welt.
Im Vorprogramm, das um 19.15 Uhr beginnt, werfen Dominique Schnizer und Jens Peters einen Blick auf die Hintergründe des Romans, Remarques Leben und den Bezug zu Osnabrück. Im Anschluss an die Inszenierung findet ein Nachgespräch mit Dominique Schnizer, Thomas Kienast und Monika Vivell statt. Später wird das Video on demand zur Verfügung stehen.
Den kostenfreien Stream für die Online-Premiere von DIE NACHT VON LISSABON am
19. Dezember um 19.30 Uhr finden Sie unter www.theater-osnabrueck.de. Für die Online-Premiere bittet das Theater Osnabrück um Spenden. Anschließend steht die Inszenierung als Video on demand für 9 Euro zur Verfügung.