Diese Wahl setzt ein Zeichen: Einerseits ermöglicht sie zwei ambitionierten Theatermachern eine Weiterentwicklung ihrer künstlerischen und programmatischen Visionen und damit einen Generationswechsel auf institutioneller Ebene. Andererseits unterstützt sie den Willen zur Teamarbeit und zu einer kooperativen Führung als Leitungsmodell der Zukunft.
Lokal verwurzelt – international vernetzt
Die Co-Intendanz Stemann und von Blomberg wurde von der Findungskommission in einem mehrstufigen Verfahren aus einer Liste von rund 50 Persönlichkeiten ausgewählt. Sechs hoch qualifizierte Personen wurden eingeladen, ein Konzept für die Zukunft des Schauspielhauses einzureichen. Drei davon kamen in die engste Auswahl. Die Findungskommission hat Stemann/von Blomberg einstimmig zur Wahl vorgeschlagen.
Stemann und von Blomberg stehen für ein Theater, das sich zwar in der Tradition des klassischen Stadttheaters sieht, sich zugleich aber den Herausforderungen sich modifizierender Produktionsbedingungen und einer sich verändernden Welt stellt und so neue Wege geht – und zwar sowohl ästhetisch wie strukturell. In und für Zürich soll ein künstlerisch unverwechselbares, politisch relevantes Theater entstehen, das sowohl national wie international ausstrahlt.
Konzentration auf eine dem Schauspielhaus exklusiv verbundenen KünstlerInnen-Gruppe
Stemann/von Blomberg möchten eine kleine Gruppe von Theatermacherinnen und Theatermachern unterschiedlicher Herkunft und ästhetischer Positionierung an das Schauspielhaus binden. Diese Gruppe wiederum wird dann gemeinsam ein starkes Ensemble aus Akteurinnen und Akteuren zusammenstellen,
das gleichfalls in seiner Diversität die unterschiedlichen Lebens- und Herkunftserfahrungen der Stadtbevölkerung repräsentiert.
Es gilt das Vorhaben, hier gemeinsam zu leben und zu arbeiten. Am Schauspielhaus soll ein Ort entstehen, an dem der Theaterprozess als eine im Kern partizipative und soziale Kunstform wieder erlebbar gemacht wird. Die Co-Intendanz möchte so einen offenen Austausch mit der vielfältigen Bevölkerung der Stadt Zürich und der Schweiz pflegen und dem Anliegen einer wieder verstärkten kulturellen und gemeinschaftsbildenden Teilhabe vieler Menschen entsprechen.
Nachwuchs-Pflege, Entwicklung neuer Theaterformen
Dem Wunsch nach Entwicklung neuer Formen und Sprachen im Theater entsprechend soll ferner der künstlerische Nachwuchs gefördert und in die Arbeit am Schauspielhaus eingebunden werden. So ist u.a. eine intensive Zusammenarbeit mit Ausbildungs-Instituten wie der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) angestrebt, spezielle hierfür geeignete Formate sollen entwickelt werden.
Zusammenarbeit mit (inter)nationalen Kulturinstitutionen
Das Schauspielhaus soll zudem ein Ort sein, welches sich einerseits mit Eigenproduktionen einer identifizierbaren und identifikationsstiftenden KünstlerInnengruppe markant profiliert; und darüber hinaus mit nationalen und internationalen Partnerinstituten in Form von Koproduktionen und Gastspielen eng zusammenarbeitet und so Produktionen nachhaltiger verwertet, austauscht und lebendig hält. Damit wird auch ein wesentlicher Beitrag zur Ausstrahlung der Stadt als europäisch bedeutender
Kulturstadt geleistet werden.
Eindrücklicher Leistungsausweis der Intendanten
Nicolas Stemann, geboren 1968 in Hamburg, studierte Regie am Max- Reinhardt-Seminar in Wien und am Institut für Theater, Musiktheater und Film in Hamburg. Erste Arbeiten entstanden vor allem in der Hamburger Kampnagelfabrik („Terror-Trilogie“, „Verschwörung“ u.a.). Seither inszenierte Stemann an vielen der wichtigsten Theater im deutschsprachigen Raum (u.a. Theater Basel, Schauspielhaus Hamburg, Thalia Theater Hamburg, Deutsches Theater Berlin, Burgtheater Wien) sowie auch im Musiktheater (u.a. an der Komischen Oper Berlin, der Berliner Staatsoper, der Opéra Comique Paris). Seit 2015 arbeitete er verstärkt auch im französischsprachigen Raum (Théatre Vidy/Lausanne, Bobigny Paris, Théâtre National Strasbourg, TNB Rennes etc.). Einladungen und Kooperationen mit Festivals wie den Salzburger Festspielen, Wiener Festwochen, Festival d'Avignon, Theater der Welt, Ruhrtriennale, Festival di Bogotà. Regelmässig wurden seine Arbeiten zudem zum Berliner Theatertreffen und den Mühlheimer Theatertagen eingeladen.
Seit der Spielzeit 2015/16 ist Nicolas Stemann Hausregisseur an den Münchner Kammerspielen. Hier realisierte er „Der Kaufmann von Venedig“ als Eröffnungsinszenierung, die Uraufführung von Elfriede Jelineks „Wut“ sowie „Der Kirschgarten“ von Anton Tschechow. Zurzeit erarbeitet er zusammen mit dem Komponisten Philippe Manoury die Oper „Kein Licht“ für die Opéra Comique in Paris und die Ruhrtriennale. Seit dem Frühlingssemester 2017 ist Stemann Leiter des Studiengangs
Master Regie an der ZHdK Zürich.
Benjamin von Blomberg wurde 1978 geboren, studierte Historische Musikwissenschaften, Germanistik und Betriebswirtschaftslehre in Hamburg. Noch zu Studienzeiten war er gemeinsam mit dem Regisseur und derzeitigem Intendanten des Luzerner Theaters, Benedikt von Peter, Mitbegründer der freien Operngruppe „evviva la diva“, mit der er u.a. in Berlin, Düsseldorf und Hamburg Produktionen als Dramaturg und Produktionsleiter betreute. Am Thalia Theater Hamburg gastierte er erstmals
2005 bei „Quixote in der Stadt“ (Regie Andreas Kriegenburg), von 2006 bis 2010 war er dort unter Intendant Ulrich Khuon und schliesslich unter Joachim Lux als Dramaturg tätig. Von 2010 an arbeitete Benjamin von Blomberg als freischaffender Dramaturg u.a. in Berlin, Hamburg, Hannover, bei den Salzburger Festspielen und in Zürich. Eine enge Zusammenarbeit verbindet ihn vor allem mit Nicolas Stemann, mit dem er wiederholt auch Stücke von Elfriede Jelinek zur Uraufführung brachte und regelmässig zum Berliner Theatertreffen eingeladen wurde.
Von 2012 bis 2015 war Benjamin von Blomberg schliesslich Chefdramaturg und Leiter der Sparte Schauspiel am Theater Bremen. Seit der Spielzeit 2015/16 ist er Chefdramaturg an den Münchner Kammerspielen. Darüber hinaus veröffentlicht er in Fachmagazinen und ist regelmässig als Juror
und Vortragender tätig, u.a. für das Körber Studio Junge Regie und in Zusammenarbeit mit dem Goethe Institut Amsterdam und Seoul, Korea. 2012 wurde Benjamin von Blomberg von der Fachzeitschrift „Theater heute“ zum Dramaturg des Jahres gewählt.