Jerusalem, zur Zeit der Kreuzzüge. Es herrscht ein labiler Waffenstillstand zwischen Christen und Moslems. Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, der vor vielen Jahren seine gesamte Familie in einem antisemitischen Pogrom durch Christen verloren hat, kehrt von einer Reise zurück. Er erfährt, dass sein Haus brannte und ein Tempelherr seine Adoptiv-Tochter Recha aus den Flammen gerettet hat. Dieser Tempelherr, ein Kriegsgefangener, ist kurz zuvor vom Sultan Saladin begnadigt worden. Der Tempelherr verliebt sich in Recha und hält um ihre Hand an. Aber Nathan zögert…
Und tatsächlich stellt sich am Ende heraus, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind, beide Kinder von Assad, dem Bruder Saladins. Es gibt eine große Wiederkennungs-Szene und am Ende steht auf der Bühne eine einzige große Familie, in der die Unterschiede der Religionen keine Rolle spielen. Und die letzte Regieanweisung lautet: „Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.“
Nathan, der Weise, gerät ins Visier des Sultans Saladin und des Patriarchen von Jerusalem. In der Begegnung mit dem Sultan Saladin, der ihn nach der wahren Religion befragt, erzählt Nathan – „nicht die Kinder bloß, speist man mit Märchen ab“ - die berühmte „Ringparabel“: Ein Mann besaß einen Ring, der die besondere Kraft hatte, „seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen“. Dieser Ring wurde seit Generationen immer an den Sohn weiter gegeben, den der Vater am liebsten hatte. Dieser Mann hat nun aber drei Söhne, die er alle gleich liebt. Er lässt deshalb zwei Imitationen anfertigen und gibt jedem seiner Söhne einen Ring. Nach dem Tod des Vaters bricht Streit aus und bringt die Söhne vor den Richter.
Der Richter gibt folgenden Rat: Jeder solle daran glauben, dass der eigene Ring der echte sei. Und sie sollen um die Wette streben, den eigenen Ring als den echten zu erweisen – und zwar durch gute Taten und gutes Verhalten.
Ist ein Drama wie „Nathan, der Weise“, das Toleranz, Humanität und Versöhnung der Religionen predigt und als möglich darstellt, noch von Relevanz in Zeiten sich verschärfender religiöser Ideologien? Ist es nur ein Märchen, eine Flucht aus geschichtlichen Realitäten in ein Reich der idealen Versöhnung?
Lessings Toleranzverständnis wurde beschrieben als eine Haltung des Respekts und der Anerkennung; keine bloße Duldung anderer Überzeugungen, sondern eine ernsthafte und konstruktive Auseinadersetzung mit ihnen. Lessings Toleranzbegriff ist im Lauf der Zeit durch eine allgemeine Vereinnahmung trivialisiert worden. Der Islamwissenschaftler Navid Kermani schreibt dazu: „Lessings Toleranzbegriff ist zunächst vom bürgerlichen Normalbewußtsein, später auch von den Kirchen so restlos aufgesogen worden, dass er jeden herrschaftskritischen Impuls verloren.“ Im Verlauf dieser Entwicklung wurde der Toleranzbegriff entleert und banalisiert. Lessing hat zu seiner Zeit mit dem Nathan vor allem der eigenen, christlich-abendländischen Kultur in kritischer Absicht den Spiegel vorgehalten. Die „Anderen“, Juden und Muslime, sind in diesem Stück aufgeklärt und tolerant – und damit das positive Gegenbild zur eigenen Kultur.
Inszenierung Peter Wittenberg
Bühne Florian Parbs
Kostüme Svenja Gassen
Musik Jacob Suske
Dramaturgie Franz Huber
Sultan Saladin Vasilij Sotke
Sittah, dessen Schwester Bettina Buchholz
Nathan, ein reicher Jude Stefan Matousch
Recha, dessen angenommene Tochter Jenny Weichert
Daja, eine Christin Verena Koch
Ein junger Tempelherr Manuel Klein
Ein Derwisch Helmut Zhuber
Der Patriarch von Jerusalem Erich Josef Langwiesner
Ein Klosterbruder Thomas Kasten