Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing im Landestheater Linz"Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing im Landestheater Linz"Nathan der Weise" von...

"Nathan der Weise" von Gotthold Ephraim Lessing im Landestheater Linz

Premiere 25. September 2010 um 19.30 Uhr im Großen Haus.

 

Lessings Nathan der Weise beweist gerade in diesen Tagen virulente Aktualität: angedrohte Koranverbrennungen, Thilo Sarazzin, Anti-Minarett-Spiele, ... (um nur wenige Beispiele zu nennen).

 

Jerusalem, zur Zeit der Kreuzzüge. Es herrscht ein labiler Waffenstillstand zwischen Christen und Moslems. Nathan, ein reicher jüdischer Kaufmann, der vor vielen Jahren seine gesamte Familie in einem antisemitischen Pogrom durch Christen verloren hat, kehrt von einer Reise zurück. Er erfährt, dass sein Haus brannte und ein Tempelherr seine Adoptiv-Tochter Recha aus den Flammen gerettet hat. Dieser Tempelherr, ein Kriegsgefangener, ist kurz zuvor vom Sultan Saladin begnadigt worden. Der Tempelherr verliebt sich in Recha und hält um ihre Hand an. Aber Nathan zögert…

 

Und tatsächlich stellt sich am Ende heraus, dass Recha und der Tempelherr Geschwister sind, beide Kinder von Assad, dem Bruder Saladins. Es gibt eine große Wiederkennungs-Szene und am Ende steht auf der Bühne eine einzige große Familie, in der die Unterschiede der Religionen keine Rolle spielen. Und die letzte Regieanweisung lautet: „Unter stummer Wiederholung allseitiger Umarmungen fällt der Vorhang.“

 

Nathan, der Weise, gerät ins Visier des Sultans Saladin und des Patriarchen von Jerusalem. In der Begegnung mit dem Sultan Saladin, der ihn nach der wahren Religion befragt, erzählt Nathan – „nicht die Kinder bloß, speist man mit Märchen ab“ - die berühmte „Ringparabel“: Ein Mann besaß einen Ring, der die besondere Kraft hatte, „seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen“. Dieser Ring wurde seit Generationen immer an den Sohn weiter gegeben, den der Vater am liebsten hatte. Dieser Mann hat nun aber drei Söhne, die er alle gleich liebt. Er lässt deshalb zwei Imitationen anfertigen und gibt jedem seiner Söhne einen Ring. Nach dem Tod des Vaters bricht Streit aus und bringt die Söhne vor den Richter.

 

Der Richter gibt folgenden Rat: Jeder solle daran glauben, dass der eigene Ring der echte sei. Und sie sollen um die Wette streben, den eigenen Ring als den echten zu erweisen – und zwar durch gute Taten und gutes Verhalten.

Ist ein Drama wie „Nathan, der Weise“, das Toleranz, Humanität und Versöhnung der Religionen predigt und als möglich darstellt, noch von Relevanz in Zeiten sich verschärfender religiöser Ideologien? Ist es nur ein Märchen, eine Flucht aus geschichtlichen Realitäten in ein Reich der idealen Versöhnung?

 

Lessings Toleranzverständnis wurde beschrieben als eine Haltung des Respekts und der Anerkennung; keine bloße Duldung anderer Überzeugungen, sondern eine ernsthafte und konstruktive Auseinadersetzung mit ihnen. Lessings Toleranzbegriff ist im Lauf der Zeit durch eine allgemeine Vereinnahmung trivialisiert worden. Der Islamwissenschaftler Navid Kermani schreibt dazu: „Lessings Toleranzbegriff ist zunächst vom bürgerlichen Normalbewußtsein, später auch von den Kirchen so restlos aufgesogen worden, dass er jeden herrschaftskritischen Impuls verloren.“ Im Verlauf dieser Entwicklung wurde der Toleranzbegriff entleert und banalisiert. Lessing hat zu seiner Zeit mit dem Nathan vor allem der eigenen, christlich-abendländischen Kultur in kritischer Absicht den Spiegel vorgehalten. Die „Anderen“, Juden und Muslime, sind in diesem Stück aufgeklärt und tolerant – und damit das positive Gegenbild zur eigenen Kultur.

 

Inszenierung Peter Wittenberg

Bühne Florian Parbs

Kostüme Svenja Gassen

Musik Jacob Suske

Dramaturgie Franz Huber

 

Besetzung

Sultan Saladin Vasilij Sotke

Sittah, dessen Schwester Bettina Buchholz

Nathan, ein reicher Jude Stefan Matousch

Recha, dessen angenommene Tochter Jenny Weichert

Daja, eine Christin Verena Koch

Ein junger Tempelherr Manuel Klein

Ein Derwisch Helmut Zhuber

Der Patriarch von Jerusalem Erich Josef Langwiesner

Ein Klosterbruder Thomas Kasten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 18 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

BERÜHRENDE MOMENTE -- "Spatz und Engel" mit dem Tournee-Theater Thespiskarren (Produktion Fritz Remond Theater im Zoo, Frankfurt) im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

Edith Piaf und Marlene Dietrich stehen hier im Schauspiel mit Musik von Daniel Große Boymann und Thomas Kahry als zwei Göttinnen des Chansons im Mittelpunkt des Geschehens. Und es ist gar nicht so…

EIN ÜBERZEUGTER HUMANIST -- 5. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Stuttgart in der Liederhalle Stuttgart

Das Stück "Felder...im Vorübergehen" für Streichorchester aus den Jahren 1993/94 von Bernhard Lang ist nicht so spektakulär wie seine Oper "Dora", besitzt aber durchaus charakteristische…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑