Eine Landschaft aus Stahlskeletthügeln, wie nach einer Katastrophe, eine ort- und zeitlose Welt. Mittendrin ein blauer Hügel, in dem Winnie bis zur Taille feststeckt. Der blaue Hügel als Welt, als Sinnbild für die Sehnsucht, die sie immer noch trägt? Winnie plappert unentwegt vor sich hin, pflegt sich, versucht die Contenance zu wahren, im Gegensatz zu ihrem Ehemann Willie, der sich scheinbar gehen lässt, wie man ihrem Gerede entnehmen kann, denn allzu oft ist er nicht zu sehen. Immer wieder versucht sie eine Reaktion von Willie zu erhalten wider aller Hoffnung. Wie in einer alten frustrierenden Ehe, in der schon längst alles gesagt, alles abgehandelt wurde, keine Änderungen, keine Neuigkeiten zu erwarten sind, nimmt sie in ihrer monologischen Rede, die zu erwartenden Reaktionen vorweg, unterstellt sie, wie Willie vermutlich reagieren würde. Wenn Willie sich tatsächlich einmal äußert, sei es durch ein Wort, sei es durch einen Laut oder eine Geste, stilisiert Winnie dieses gleich zu einem glücklichen Tag. Sie gibt sich mit kleinen Freuden zufrieden, die sie aus der Banalität des Alltags zieht. Winnie plappert an gegen ihr Unbehagen, verdrängt es, versucht ihre Würde zu bewahren und kommt aus dem Wiederholungen nicht heraus, bis sie immer tiefer versinkt und völlig unbeweglich ist.
In seiner Inszenierung von Becketts "Glückliche Tage" im Schauspielhaus Düsseldorf hat Stéphane Braunschweig Winnie verdoppelt: einmal ist sie real zu sehen, zum anderen als riesige Webcamprojektion. Dadurch wird der Zuschauer verleitet, dem digitalen Bild zu folgen, sich vom wirklich Stattfindenden ablenken zu lassen, aber eigentlich ist es ein überflüssiger Trick in einer ansonsten hervorragenden, dem Werk gerecht werdenden Inszenierung. Claudia Hübbecker als Winnie trägt die Figur durch alle Facetten zwischen Lakonie und Traurigkeit, kämpft gegen die Desillusion, mit der altersbedingt zunehmenden Sehschwäche und der Angst vor dem allmählichen körperlichen Verfall. Brillant, wie sie die Aufmerksamkeit des Zuschauers über das Stück zu halten vermag. Rainer Galke als der resignierte Willie, der sich immer wieder hinter seiner Zeitung verschanzt, ist wie ein gestrandeter Wal, der in einem letzten Atemzug sich noch einmal zum Leben aufschwingen will.
Ein ganz großes Stück Theater, das vom Publikum sehr gewürdigt wurde! Offenbar lassen sich viele von den Geschehnissen hinter den Kulissen des Schauspielhauses ungerechtfertigter Weise von einem Theaterbesuch abschrecken. Dieser beindruckenden Leistung würde man jedenfalls mehr Besucherresonanz wünschen.
Glückliche Tage von Samuel Beckett
Aus dem Englischen von Erika und Elmar Tophoven / In Kollaboration mit La Colline – the?a?tre national, Paris / Premiere in Paris: 10. Juni 2014
Claudia Hübbecker / Winnie
Rainer Galke / Willie
Regie: Stéphane Braunschweig
Bühne: Stéphane Braunschweig
Alexandre De Dardel / Mitarbeit Bühne
Kostüme: Thibault Vancraenenbroeck
Licht: Marion Hewlett
Dramaturgie: Astrid Schenka
Premiere
12. April 2014