Eine wahre Entdeckung war dann die Fantasie in g-Moll op. 24 für Violine und Orchester von Josef Suk, dem Schwiegersohn und Lieblingsschüler von Antonin Dvorak. Der begnadete Geiger Christian Tetzlaff musizierte dabei wie aus einem Guss und betonte Suks bewegenden Reifestil. Die teilweise modern wirkende Harmonik wechselte sich dabei mit leuchtenden klangsinnlichen Bildern ab. Die Komplexität in Form und Stil unterstrich Christian Tetzlaff durch die erstaunliche Intensität seines Spiels, das eine enorme innere Spannungskraft besaß. Und die Wechselbeziehungen der einzelnen Themen wirkten durch diese überaus konzentrierte Interpretation ausgesprochen komplex. Auch die Thematik faszinierte mit ständigen Übergängen, die einen strömenden Impetus besaßen. Überhaupt gelang es Christian Tetzlaff zusammen mit dem glänzend musizierenden Bundesjugendorchester unter Francesco Angelico sehr überzeugend, die klangliche Leuchtkraft dieses Werkes hervorzuheben. Die polytonalen Strukturen besaßen so eine ergreifende Klarheit. Die harmonische Modernität dieser ungewöhnlichen Komposition fesselte die Zuhörer bei dieser Wiedergabe.
Als Zugabe musizierte Christian Tetzlaff noch zusammen mit Orchestermitgliedern einen Ausschnitt aus einem Terzett von Antonin Dvorak, wo die böhmische Seele wieder wunderbar hervorstrahlte.
Eine grandiose Wiedergabe von Dimitri Schostakowitschs 11. Sinfonie in g-Moll op. 103 mit dem Untertitel "Das Jahr 1905" bot das Bundesjugendorchester zum Abschluss unter der überaus einfühlsamen Leitung von Francesco Angelico. Schostakowitsch stellte seine 11. Sinfonie im Jahre 1957 dem sowjetischen Publikum vor. Vier Jahre nach dem Tod Stalins war es die zweite Sinfonie, die sich kritisch mit der Geschichte Russlands auseinandersetzte. Das Werk beschreibt den berüchtigten "Petersburger Blutsonntag", an dem es zu einem von der Palastwache des Zaren verübten Massaker an demonstrierenden Arbeitern kam. Schostakowitschs Vater war dabei. Francesco Angelico arbeitete die Struktur der klassischen viersätzigen Sinfonie präzis heraus. Die einzelnen Sätze gingen attacca ineinander über. Schon im ersten Satz trat die überaus gespannte Atmosphäre auf dem kalten Schlossplatz als chorales Adagio dämonisch und grelll hervor. Die Motive von Volksliedern wurden hier überaus eindringlich gestaltet.
Im zweiten Satz "9. Januar" raste die Musik in einem Höllentempo dahin und versank dann fast hypnotisch in einer gedämpften Melodie der tiefen Streicher. Die Explosionen der Kesselpauken wirkten elektrisierend. Hier wurden in einer ungeheuren Streicherfuge sowie gewaltigen Blech- und Schlagwerk-Einsätzen die Schüsse der aufmarschierten Soldaten auf die demonstrierende Volksmenge dargestellt. Die Streichergruppe des Bundesjugendorchesters bot dabei eine ausgezeichnete Leistung. Am Ende des Satzes leuchtete das Thema des ersten Satzes wieder auf. Im dritten Satz wurde die unermessliche Trauer über die Opfer anhand des Arbeiterliedes "Unsterbliche Opfer" in einer unbeschreiblichen Weise zum Ausdruck gebracht. Als hoffnungsvoller Blick in die Zukunft verbreitete der vierte Satz eine rauschhafte Euphorie. Das "Sturmgeläut" ließ die Zuhörer bei dieser Wiedergabe nicht mehr los. Die Glocke läutete in g-Moll, während das Orchester in G-Dur spielte.
Nicht nur bei den exakten Pizzicato-Einsätzen vollbrachte das Bundesjugendorchester an diesem besonderen Abend eine Meisterleistung. Reminiszenzen an Schostakowitschs vierte und fünfte Sinfonie fielen ebenfalls auf. Hinsichtlich der explosiven Schlagkraft ist diese Sinfonie ein Juwel unter Schostakowitschs sinfonischen Werken. Es gab Jubel und Ovationen für das Bundesjugendorchester, das das Patenorchester der Berliner Philharmoniker ist.