Der Untergang einer Welt, Krieg und Zerstörung, die Angst der Bevölkerung in Krisenzeiten: diese Themen der Oper nimmt Regisseurin Andrea Moses zum Ausgangspunkt für ihr politisches Musiktheater. In ihrer neuen Inszenierung am Staatstheater Cottbus spürt sie einer großen gesellschaftlichen Erzählung unserer Zeit nach: dem Untergang des sogenannten Ostblocks. Gemeinsam mit Bühnenbildner Christian Wiehle, dem Videokünstler René Liebert und Kostümbildnerin Meentje Nielsen zieht die Regisseurin Parallelen zwischen der neueren Geschichte der Ukraine und der (ost-)deutschen Wendezeit. In einer aufwendigen Videoinstallation, die den Chor in Erinnerungsbildern auf die Bühne projiziert, verschwimmen die Zeiten zwischen Gestern und Heute.
Der Titelheld Mazeppa ist tatsächlich eine Ikone der ukrainischen Geschichtsschreibung – ein klassischer Antiheld auf russischer Seite. Als ehemaliger Verbündeter Zar Peters I. im Großen Nordischen Krieg lief der ukrainische Kosakenhetmann zum Kriegsgegner, dem schwedischen König Karl XII., über, um die Ukraine als eigenen Machtbereich von russischer, respektive polnischer Vorherrschaft zu lösen. Der Plan misslingt: In der berühmten Schlacht von Poltawa werden Karl XII. und Mazeppa geschlagen. Sie fliehen ins Exil im Osmanischen Reich, wo Mazeppa wenig später stirbt.
In ihrem Libretto nach einem Gedicht von Alexander Puschkin verbinden Tschaikowski und sein Textdichter Viktor Burenin die historischen Fakten mit einer Liebeshandlung: Im Hause der alteingesessenen Familie Kotschubej hält der alte Mazeppa um die Hand der Tochter Maria an – seines Patenkindes! Der Vater lehnt ab, Maria muss sich entscheiden und geht mit dem älteren Geliebten. Die politische Intrige Mazeppas reißt indessen alles und jeden in den Abgrund …
Musikalisch verwebt Tschaikowskis Oper ukrainische Folklore, sinfonische Dichtung, lyrische Seelenzergliederung und politische Agitation. In großen Chorszenen schildert er minutiös die Verführbarkeit, das Erbarmen und die Gewalt der Massen. Daneben treten in ariosen Passagen und volksliedhaften Chören die privaten Sehnsüchte der Figuren zu Tage.
Den Ausgleich zwischen Psychologie und Politik stellt GMD Alexander Merzyn am Pult des Philharmonischen Orchesters her und zeigt Tschaikowski in seinem einzigartigen Stilreichtum zwischen Russland und Europa. Für den Chor, der im 1. Rang auch live das Geschehen begleitet, zeichnet Chordirektor Christian Möbius verantwortlich.
Als Kosakenhetmann Mazeppa gibt Andreas Jäpel sein Rollendebüt und kann an Rollen der vergangenen Spielzeiten, u.a. Wagners „Fliegenden Holländer“, anknüpfen. In der Partie der jugendlichen Geliebten Maria ist die Sopranistin Kim-Lillian Strebel erstmals in Cottbus zu erleben. Sie gehört seit dieser Spielzeit zum Musiktheaterensemble des Hauses.
Libretto Pjotr I. Tschaikowski und Viktor P. Burenin nach dem Gedicht „Poltava“ von Alexander S. Puschkin
-Aufführung in russischer Sprache mit deutschen Übertiteln-
Musikalische Leitung: GMD Alexander Merzyn
Regie: Andrea Moses
Bühne: Christian Wiehle
Kostüme: Meentje Nielsen
Kostüm-Mitarbeit: Clementine Pohl
Video: René Liebert
Lichtdesign: Reinhard Traub
Choreinstudierung: Christian Möbius
Dramaturgie: Michael Höppner, Katharina Duda
Mazeppa
Andreas Jäpel
Maria
Kim-Lillian Strebel
Kotschubej
Ulrich Schneider
Andrej Alexey Sayapin
Ljubov
Gesine Forberger
Orlik
Jongsoo Yang
Iskra
Hardy Brachmann
Betrunkener Kosak
Dirk Kleinke
Tänzer, Paar Alexander Teutscher, Cristina Voce
Opernchor
Statisterie
Es spielt das Philharmonische Orchester.
Weitere Vorstellungstermine:
Freitag, 30. Oktober; Samstag, 14. November 2020, jeweils 19.30 Uhr