Zeit seines Lebens hat sich der Komponist für die schmerzlichen Seiten der menschlichen Existenz interessiert, auch dann, wenn seine Opernstoffe ein heiteres oder komödiantisches Sujet bedienten. Er beschreibt das Leiden der Menschen als schmerzliche Erfahrung, aber auch als eine Kraft, die ihnen Schönheit und Würde verleiht, selbst dann, wenn sie zu einem würdelosen Leben verdammt sind.
Aus einem Totenhaus entstand nach einem Roman von Fjodor M. Dostojewski, in dem der russische Schriftsteller seine Erlebnisse als Gefangener im sibirischen Straflager Omsk verarbeitet hatte.
Wie in einer einfühlsamen Reportage wird darin über Menschen erzählt, die aus den verschiedensten sozialen Schichten stammen, unterschiedliche Schicksale haben und plötzlich das gleiche karge Brot miteinander teilen müssen: Luka, der in einem Gefängnis einen Aufstand organisiert und einen Offizier ermordet hat, Skuratow, der aus Liebe zu einem deutschen Mädchen zum Mörder wurde, Goriantschikow, der Aristokrat aus Petersburg, der als „Politischer“ eingeliefert wird, und der schöne Alej, ein junger Tatar, der hier im Lager erst Lesen und Schreiben lernt. Jeder Einzelne von ihnen hat seine eigene dramatische Geschichte. Janáček verschränkt sie miteinander, indem er Erzählungen der Häftlinge mit dem unmittelbar Erlebten überkreuzt oder daraus Parallelen bildet.
Am Ende wird symbolisch ein Adler freigelassen. Und auch der schwer drangsalierte Goriantschikow kommt frei. Beides ist ein Zeichen der Hoffnung, worin sich das Episodenhafte der Handlung zu einer Botschaft rundet. Janáčeks Oper zeichnet nicht nur Bilder der Trostlosigkeit und der Gewalt. Aus der Darstellung der gedemütigten menschlichen Existenz erwächst Janáčeks tiefe Überzeugung, dass in jedem Geschöpf „ein Funken Gottes“ ist.
Mit Leoš Janáčeks Oper Aus einem Totenhaus komplettiert die Deutsche Oper am Rhein den bereits vor 13 Jahren angelegten Zyklus mit fünf Werken des tschechischen Komponisten. Der Norweger Stein Winge, der schon Katja Kabanowa (1996), Jenufa (1998), Die Sache Makropulos (2000) und Das schlaue Füchslein (2001) inszeniert hat und zu den stilprägenden Regisseuren der Ära Tobias Richter gehört, führt auch diesmal Regie. Zum ersten Mal arbeitet er mit Herbert Murauer zusammen. Dessen Bühnenbilder und Kostüme kenne das Publikum der Rheinoper besonders gut aus Regiearbeiten von Christoph Loy.
Die musikalische Leitung übernimmt Chefdirigent John Fiore, der im Sommer die Stelle des Musikdirektors an der DNO&B (Den Norske Opera and Ballett) in Oslo antritt. Am Pult der Düsseldorfer Symphoniker steht er auch vom 2. – 6. Juni, wenn alle fünf Stücke von Leoš Janáček noch einmal in zyklischer Geschlossenheit gezeigt werden.
Gorjantschikow: Ludwig Grabmeier Der Koch: Joseph Szalay
Aljeja: Michael Pflumm Der Schmied: Jwa-Kyeom Kim
Luka: Alfons Eberz Der Pope: Manfred Klee
Der große Sträfling: Andrej Lantzov Der junge Sträfling: Leandros Taliotis
Der kleine Sträfling: Andrzej Saciuk Dirne: Nassrin Azarmi
Der Platzkommandant / 2. Wache: Peter N. Kante Ein Sträfling als Don Juan: Rolf Broman
Der ganz alte Sträfling: Wilhelm Richter Kedril: Martin Koch
Skuratow: Jan Vacik Schapkin: Bruce Rankin
Tschekunow: John In Eichen Schischkow: Oleg Bryjak
Der betrunkene Sträfling: Lois Fernando Piedra Tscherewin / 1. Wache: Markus Müller