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"Lady Macbeth von Mzensk" von Dimitri Schostakowitsch, Landestheater Linz

Premiere am Samstag, 23. Mai 2009 um 19.30 Uhr im Großen Haus

 

Katerina ist mit einem Unternehmer verheiratet, der oft auf Dienstreise ist und sie gegen den Schwiegervater, der sie tyrannisiert und bedrängt, nicht verteidigt.

In ihrer Einsamkeit sehnt sie sich nach Liebe, auch körperlicher. Als ein Arbeiter aus der Firma ihres Mannes, der rücksichtslose Sergej, in das Schlafzimmer der Verzweifelten eindringt, muss er wenig Widerstand überwinden. Sie bricht aus dem Gefängnis ihrer Welt aus und beginnt, sich zu nehmen, was ihr vorenthalten wurde – die Liebe, die Freiheit, die Traumhochzeit. Den zu erwartenden Widerstand der Gesellschaft räumt sie gemeinsam mit diesem Mann aus dem Weg: den schwachen Gatten und den Schwiegervater. Doch in das Mahlwerk der Gewalt, das sie in Gang gebracht hat, gerät sie schließlich selbst. Der Traum vom Glück zerrinnt im Schlamm eines sibirischen Arbeitslagers.

 

Zum Werk

Wer die Lady noch nicht kennt und die Handlung mit ihrer Anhäufung von sex and crime liest, wird zunächst kaum glauben können, dass Dimitri Schostakowitschs Oper kein effekthascherisches Werk eines erfolgshungrigen, sensationslüsternen Autors sein soll. Aber wer die Oper sieht, merkt es: Die Gewalt ist bei Schostakowitsch nicht Selbstzweck, denn er erzählt eine Geschichte über die Folgen von Gewalt. Die Hauptfigur der Oper, Katerina Ismailowa, ist zunächst der Gewalt ausgeliefert – der Missachtung durch ihren Ehemann und v. a. der Bedrohung und Erniedrigung durch ihren Schwiegervater. Dann entscheidet sie sich dazu – angetrieben von einem selbst rücksichtslosen, gewalttätigen Mann, der ihr Liebhaber wird –, den Spieß umzudrehen und selbst Gewalt auszuüben. Was ihr zunächst wie ein Befreiungsschlag gegen die patriarchalische Ordnung vorkommt, entpuppt sich schließlich als ein Weg, von dem es kein Zurück gibt. Ein Weg zudem, dessen schreckliches Ende absehbar ist.

 

Diese Geschichte über Gewalt ist zugleich ein Spiegel der Zeit, in der die Oper entstand. Anfang der 30er Jahre ließ Stalin in der Sowjetunion unzählige Menschen ermorden, die seiner Meinung nach der Fortentwicklung des Sowjetvolkes im Wege standen. Und ganz besonders Künstler oder Intellektuelle lebten bekanntlich unter ständiger Lebensbedrohung. Dimitri Schostakowitsch gehörte zu den wenigen, die als ideologische Abweichler angegriffen und angefeindet wurden, ohne in das Mahlwerk der Vernichtung zu geraten. Das veränderte den Menschen und Künstler für immer.

 

Zu Beginn war Lady Macbeth ein großer, rasch über die Bühnen eilender Erfolg gewesen. Nur zwei Tage nach der Leningrader Uraufführung 1934 war Moskau gefolgt; und an etlichen europäischen und, man will es kaum für möglich halten, US-amerikanischen Theatern war der Erfolg nicht geringer. Schostakowitsch war mit einem Schlag zum bedeutendsten russischen Komponisten seiner Zeit geworden.

 

Der schicksalhafte Moment kam, als Josef Stalin im Dezember 1935 ins Moskauer Bolschoitheater ging, um sich anzuschauen, was die Menschen so begeisterte. Ob nun, wie es in den Memoiren von Schostakowitsch heißt, die draufgängerische Interpretation der Partitur von Dirigent und Orchester die Lage verschlimmert haben oder nicht: Stalin war nicht erbaut. Er wird erkannt haben, dass neben den außergewöhnlichen musikdramatischen Qualitäten des Stücks auch die offen liegende Gesellschaftskritik zu der auffälligen Beliebtheit geführt hat. Der zwei Tage später in der Prawda erschienene Artikel „Chaos statt Musik“ bereitete dem Siegeslauf der Oper ein jähes Ende – und vorerst auch der bis dahin steilen Karriere ihres Autors. Lady Macbeth und ihren Schöpfer trafen die drastischen Vorwürfe der „’linken’ Zügellosigkeit“ und des „’kleinbürgerlichen’ Neuerertums“. Es hieß dort u. a.: „Die Fähigkeit guter Musik, die Massen mitzureißen, wird hier kleinbürgerlichen, formalistischen Anstrengungen und der Verkrampfung geopfert, damit man mit den Methoden der Originalitätshascherei Originalität vortäuschen kann.“ Ein ganzes Jahr lang war Schostakowitsch in seiner Heimat eine „persona non grata“. Aus Angst, in der Nacht abgeholt zu werden, schlief er etliche Monate hindurch angezogen neben dem gepackten Koffer.

 

Kritik an seiner Zeit sollte der Komponist von nun an so tief in seinen Partituren verbergen, dass sie für die meisten unentdeckt blieb. Eine Oper schrieb er nie wieder. Dreißig Jahre nach der Uraufführung gelang es dem inzwischen längst wieder etablierten Komponisten, seine Lady in einer textlich und musikalisch entschärften Variante wieder zum Leben zu erwecken. Der Erfolg des Stücks in den vergangenen zwanzig Jahren im „Westen“ basiert jedoch auf der drastischen Urfassung, die es auch in Linz zu erleben geben wird (und die erst vor zwei Jahren erstmals in Moskau gegeben wurde).

 

Die Musik der Oper verdammt den verzweifelten Versuch Katerinas, ein freier, froher Mensch zu werden, nicht. Auch nicht, nachdem dieser Versuch sie zur Ehebrecherin und Mörderin gemacht hat. Im Gegenteil: Katerinas Sehnsucht nach Glück und ihrem Willen, sich gegen ihre gewalttätige Umwelt zu behaupten, gelten Schostakowitschs ganze Sympathie und – wenn sie immer wieder scheitert – sein Mitgefühl. Was ihre Umwelt angeht, so hatte es der Prawda-Artikel ganz richtig benannt: „Die Kaufleute und das Volk – alle werden stumpf und grausam dargestellt.“ Der sadistische Schwiegervater, die rohe Masse der Arbeiter, die scheinheiligen Popen und korrupten Polizisten, die ihr im Weg stehen, werden von der Musik zu lächerlichen Gestalten, zu Karikaturen gemacht. Die reale Angst, die ein Mensch der 1930er Jahre haben konnte, durfte sich im Schutz des dunklen Theatersaals in Hohngelächter entladen. Wir haben in diesem Land das Glück, nicht in einer solchen Situation zu leben. Dennoch kommt einem vieles in dieser Oper noch aktuell vor – Auswüchse patriarchalischer Rollenverteilungen, Korruption und Gewalt überhaupt sind nicht ausgestorben. Der Grund jedoch, warum diese Oper heute noch so fesselnd ist, liegt im Mitgefühl der Musik mit der Heldin. Wie oft scheitern Versuche glücklich zu werden? Wie oft nimmt jemand Schaden, weil ein Mensch sein Glück machen möchte? Lady Macbeth ist eine Oper über Sehnsüchte und Fehler von Menschen.

Felix Losert

 

Oper in vier Akten und neun Bildern

Libretto von Alexander Preis und Dimitri Schostakowitsch

nach der gleichnamigen Novelle (1865) von Nikolei Leskow

Übersetzung von Jörg Morgener und Siegfried Schoenbohm

Uraufführung St. Petersburg (Leningrad) 1934

 

MUSIKALISCHE LEITUNG Ingo Ingensand/Marc Reibel

INSZENIERUNG Andreas Baesler

BÜHNENBILD Karel Spanhak

KOSTÜME Henrike Bromber

CHORLEITUNG Georg Leopold

DRAMATURGIE Felix Losert

 

MIT

Boris Timofejewitsch Ismailow, Kaufmann

KLAUS-DIETER LERCHE

 

Sinowij Borissowitsch Ismailow,

sein Sohn, Kaufmann

IURIE CIOBANU/

YURANNY HERNÁNDEZ GÓMEZ

 

Katerina Ismailowa, dessen Frau

ALAINE RODIN

 

Sergej, Handlungsgehilfe bei Ismailow

ERIK NELSON WERNER

 

Aksinja, Köchin

EKATERINA KARANESCHEVA

 

Der Schäbige, ein verkommener Arbeiter

HANS-GÜNTHER MÜLLER

Verwalter

FRANZ BINDER

 

Hausknecht

LEOPOLD KÖPPL

 

1. Vorarbeiter

EUGEN FILLO

 

2. Vorarbeiter

CSABA GRUENFELDER

 

3. Vorarbeiter

JOCHEN BOHNEN

 

Mühlenarbeiter

MARIUS MOCAN

 

Kutscher

PETAR ASENOV STEFANOV

 

Pope

WILLIAM MASON

 

Polizeichef

ALIK ABDUKAYUMOV

 

Polizist

ANDRZEJ ULICZ

 

Lehrer

MATTHÄUS SCHMIDLECHNER

 

Betrunkener Gast

HANS WOLFINGER

 

Sergeant

BORIS DASKALOV

 

Wächter

MARKUS SCHULZ

 

Sonjetka, Zwangsarbeiterin

KATERINA HEBELKOVA

 

Alter Zwangsarbeiter

NIKOLAI GALKIN

 

Zwangsarbeiterin

CHERYL LICHTER

 

CHOR UND EXTRACHOR DES LANDESTHEATERS LINZ

STATISTERIE DES LANDESTHEATERS LINZ

 

BRUCKNER ORCHESTER LINZ

 

Weitere Termine: 25. und 31. Mai; 3., 8., 20. und 23. Juni und 3. Juli 2009

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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