Gedanken über den Körper macht man sich nicht, solange er gut funktioniert. Anders ist es bei einem Tänzer, für ihn ist er das Instrument, mit dem er sich oder die Ideen eines Choreographen ausdrückt. In einzelnen Szenen schildert das Dance On Ensemble sachlich, nüchtern in "Water between three hands" seine Ängste über den möglichen Verlust der Körperbeherrschung, wie sie in einem Alptraum auftauchen würden. So meint ein Mann, plötzlich zu viele Knochen von anderen Menschen im Körper zu haben. Eine Frau stellt dagegen beim Durchzählen ihrer Knochen fest, dass einer fehlt. Beim erneuten Nachzählen, fehlt jedes Mal einer mehr. Eine andere Frau stellt beim Blick in den Spiegel fest, dass ihr Gesicht nicht mehr zu sehen ist, stattdessen sieht sie ihren Hinterkopf.
Auch das Choreographieren an sich wird thematisiert, wenn immer wieder auf den Arbeitsprozess verweisen wird, der in einem Notizbuch festgehalten wurde oder die Arbeitsweise des Regisseurs erläutert wird, die ironisch als diktatorisch bezeichnet wird.
Selbst die Ebene der früher oftmals eingeforderten Partizipation wird ironisiert, wenn das Publikum sich in einer verwirrenden Szene über einen Perspektivwechsel, statt sich selbst körperlich zu beteiligen, reflektieren soll, was ja eigentlich ohnehin seine Aufgabe ist.
Es ist Rabih Mroués erste Choreographie-Arbeit, die klug, witzig und charmant über Köperwahrnehmung, Verlust und Älterwerden reflektiert. Zum Schluss des Stückes wird eine Seite aus dem Notizbuch entfernt. Bei jeder Aufführung. Wenn dies nicht auch zum künstlerischen Konzept gehörte, bliebe zu hoffen, dass es am Ende leer sei.
Künstlerische Gesamtleitung DANCE ON: Madeline Ritter
Künstlerische Leitung DANCE ON ENSEMBLE: Christopher Roman.
„Water between three hands“ Konzept, Regie: Rabih Mroué; in Zusammenarbeit mit: Ty Boomershine, Amancio Gonzalez, Brit Rodemund, Christopher Roman, Jone San Martin, Ami Shulman.
Percussion: Philipp Danzeisen
„Water between three hands“ ist eine Koproduktion von Kampnagel Hamburg und tanzhaus nrw. DANCE ON ist eine Initiative der DIEHL+RITTER gUG, gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, kofinanziert durch das Programm Kreatives Europa der Europäischen Union im Rahmen von DANCE ON, PASS ON, DREAM ON. Das Gastspiel findet statt im Rahmen der Reihe „REAL BODIES – Körperkonzepte jenseits normativer Zuschreibungen“, gefördert durch die Kunststiftung NRW.
Oktober 2016