Cordelia, seine jüngste Tochter, verweist er wutentbrannt des Landes, als sie die eingeforderten Liebesbekundungen verweigert. Goneril und Regan, die beiden älteren, stellen sich der Verantwortung. Bricht damit eine neue Zeit an, das Ende von Privilegien und verkrusteten Hierarchien? – In den Strukturen, die Lear hinterlässt, geht es weniger um das Gemeinwohl als um Status und Machterhalt. Als Goneril und Regan genötigt sind, Lear und seine randalierenden Freunde in die Schranken zu weisen, reagiert er erwartungsgemäß: Er tobt, flucht und verwünscht seine undankbaren Töchter.
Lear versteht die Welt nicht mehr, ist er doch überzeugt, ein guter Herrscher gewesen zu sein und ein guter Vater. Aber seine Zeit ist unwiderruflich vorbei. Erst als er ganz unten angekommen ist, entmachtet, gekränkt und dem Wahnsinn nahe, die Unkrautkrone auf dem Kopf – aber in seinen Augen immer noch „jeder Zoll ein König“ – scheint er zu begreifen, dass Liebe mit Eigentum nicht zu verwechseln ist.
In London wütet die Pest, als Shakespeares TRUE CHRONICLE OF THE LIFE AND DEATH OF KING LEAR AND HIS THREE DAUGHTERS 1606 uraufgeführt wird. – Lily Sykes’ Stückfassung nimmt die Perspektive der Töchter ein: Sie blicken zurück auf ihre Geschichte, versuchen eine Bestandsaufnahme und fragen sich, welche Chancen sie eigentlich hatten, die Welt neu zu denken – eine Welt, in der alte Konzepte nicht mehr greifen und neue erst gefunden werden müssen.
MIT Marin Blülle, Kriemhild Hamann, David Kosel, Anja Laïs, Philipp Lux, Agnes Mann, Karina Plachetka, Torsten Ranft
REGIE Lily Sykes
BÜHNE Jelena Nagorni
KOSTÜME Jelena Miletić
MUSIK Arvild J. Baud
DRAMATURGIE Christine Besier