Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
"Kampf des Negers und der Hunde" von Bernard-Marie Koltès -- Burgtheater Wien "Kampf des Negers und der Hunde" von Bernard-Marie Koltès -- Burgtheater Wien "Kampf des Negers und...

"Kampf des Negers und der Hunde" von Bernard-Marie Koltès -- Burgtheater Wien

Premiere: 27. September 2018 Akademietheater

Eine Leiche soll angemessen beweint und bestattet werden. Der Tote in einer Siedlung in Westafrika ist Albourys Bruder. Doch die Leiche ist nicht zu finden, die Mutter des Toten wird keine Zweige über ihn legen können, wie es der Ritus vorschreibt. Zu Tode gekommen ist Albourys Bruder auf der Straßenbaustelle einer französischen Firma – ein Ort, der einem Fort gleicht. Ein „weißer“ Ort in einem „schwarzen“ Land, den Schwarze nur als Hilfsarbeiter betreten dürfen. Der Baustellenleiter Horn versucht, den Unfall, dem der schwarze Arbeiter erlegen zu sein scheint, zu vertuschen.

 

War es wirklich ein Unfall? Cal, ein Ingenieur, der schon in zahllosen Entwicklungsländern zu viele sinnlose Projekte betreut hat, will und kann keine Schuld auf sich nehmen. Er flüchtet sich in Zynismen und Alkohol, fürchtet um seinen Hund, den die afrikanischen „Hundefresser“ gefangen und umgebracht haben. Oder hetzte er selbst den Hund auf die Afrikaner?

Europa und Afrika, weiß und schwarz, Mann und Frau, Kolonialist und Kolonialisierte – Koltès’ vierzig Jahre altes Stück zeichnet eine Welt von Gegensätzen, deren Bedeutung bis heute festgeschrieben scheint. Gleichzeitig enthüllt es ihre unausweichliche Konsequenz: Einsamkeit. Was besagen Begriffe wie Fortschritt und Aufklärung? Was Unterdrückung und Bedrohung? Und: Wovor haben wir eigentlich Angst?

In der deutschen Übersetzung des Stücktitels Combat de nègre et de chiens steht das Wort „Neger“, das im heutigen Sprachgebrauch wegen seiner diskriminierenden und beleidigenden Funktion gemieden wird. In diesem Kontext haben wir uns entschlossen, dieses Wort grafisch abzusetzen, um uns davon zu distanzieren, es aber dennoch auszuschreiben. In diesem Wort kommt zum Ausdruck, dass es in Koltès’ Stück weniger um Hautfarben und mehr um Unterdrückung und Ausbeutung geht. Diese Machtstrukturen, die hinter dem Wort stehen und die bis heute fortbestehen, werden im Stück offengelegt und dekonstruiert. Mit dem Gebrauch dieses Wortes im künstlerischen Kontext soll der Schandfleck der europäischen kolonialen Vergangenheit und seiner postkolonialen Gegenwart verhandelt werden, anstatt ihn mit einer Titeländerung zu verdecken.

Übersetzung von Simon Werle

Regie: Miloš Lolić
Bühne: Evi Bauer
Kostüme: Jelena Miletić
Dramaturgie: Eva-Maria Voigtländer

Mit Philipp Hauß (Horn, Baustellenleiter), Ernest Allan Hausmann (Alboury, ein Schwarzer), Stefanie Dvorak (Leone, eine Frau, die Horn mitgebracht hat), Markus Meyer (Cal, ein Ingenieur)

Bild: Bernard-Marie Koltès

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 12 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

FURCHT VOR DER FREIHEIT -- Neue Reihe "Studio goes Politics" im Studiotheater STUTTGART

Die Kabarettistin Stephanie Biesolt eröffnete zusammen mit der Schauspielerin Marion Jeiter diese neue Kabarett-Reihe im Studiotheater. Dabei wurde die AfD aufs Korn genommen. Beim "Angriff auf…

Von: ALEXANDER WALTHER

GESPENSTER UND ATEMLOSE SPANNUNG -- "Falsche Schlange" von Alan Ayckbourn im Kronenzentrum/BIETIGHEIM-BISSINGEN

Eine Prodfuktion von Tournee-Theater Thespiskarren - Theater im Rathaus Essen. - In der subtilen Regie von Gerit Kling bekommt dieser Psycho-Thriller rasch scharfe Kontur. Annabel Chester kehrt nach…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUCH DIE BILDENDE KUNST IST PRÄSENT -- Ludwigsburger Schlossfestspiele 2025

Die Festspielzeit 2025 wird am Samstag, 31. Mai 2025 mit dem Konzerthausorchester Berlin unter der Leitung von Joana Mallwitz im Forum am Schlosspark eröffnet. Neben Schuberts "Großer C-Dur-Sinfonie"…

Von: ALEXANDER WALTHER

FEINE SCHWINGUNGEN -- "Wege in die Gegenwart" - Gitarrenmusik des 20. und 21. Jahrhunderts im Kammermusiksaal der Musikhochschule STUTTGART

Gitarren-Musikstudenten der Klasse von Tillmann Reinbeck stellten sich im Kammermusiksaal der Musikhochschule vor. Der Abend begann mit "Quatre pieces breves" aus dem Jahre 1933 von Frank Martin. Das…

Von: ALEXANDER WALTHER

PEITSCHENDE RHYTHMEN -- Symphonieorchester unter Juraj Valcuha im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Ein sehr russisches Programm präsentierte das glänzend disponierte SWR Symphonieorchester unter der Leitung des slowakischen Dirigenten Juraj Valcuha diesmal in der Liederhalle. Zunächst erklang die…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑