In der vierten Ausgabe setzt «It’s The Real Thing» diese Untersuchung fort und richtet den Blick auf jenen Rohstoff, der sich im Zentrum jeder Realität und ihrer Abbildungen befindet: den menschlichen Körper. Sowohl als Mittel wie Zweck des Politischen und Ökonomischen ist der Körper das unabdingbare Produktionsmittel zur Herstellung von Realität. Zugleich ist er permanenter Gegenstand der Verhandlung. Körper werden kategorisiert, geprägt und geformt, sie bewegen sich und werden bewegt, werden mobilisiert und in Stellung gebracht, werden begehrt oder malträtiert, werden öffentlich geoutet, persönlich umworben und privat geliebt. Nicht zuletzt sind Körper aber auch seit je her ein wesentlicher Gegenstand der Kunst.
«It’s The Real Thing» setzt diesen geheimnisvollen Rohstoff nun in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung um Wirklichkeit und Identität und beleuchtet dabei dessen vielleicht wichtigste Eigenschaft: seine Verwundbarkeit. Dabei deuten die Basler Dokumentartage diese Eigenschaft zu einer Fähigkeit um – zur vulner-ability. In ihr steckt das Potential, das uns Menschen zu politischen wie poetischen Wesen macht: Die Fähigkeit, den eigenen Körper zu zeigen und zu dokumentieren, sich als Mensch sichtbar, kritisierbar und angreifbar zu machen und sich in die Wirklichkeit einzumischen.
Vorhang auf für das Theater der Verwundbarkeit!
Der Schweizer Regisseur und Autor Boris Nikitin beschäftigt sich schon seit über zehn Jahren in seinen Arbeiten auf kritische Weise mit dem Realen und dem Dokumentarischen. Nun hat Nikitin erneut seine Auseinandersetzung in die Form eines Festivals gebracht, in der er seine Fragen mit internationalen Kolleg*innen aus Theater, Tanz und Performance teilt. Unter dem Motto Theater der Verwundbarkeit blickt das Festival dieses Jahr auf den menschlichen Körper und dessen Versehrbarkeit - sei es im Anblick ökonomischer Krisen, wie in der Eröffnungsproduktion Cuckoo von Jaha Coo, als politische Waffe wie bei Rabih Mroué’s So Little Time oder in der Konfrontation mit alltäglicher sexueller Gewalt wie in Markus Öhrns Gastspiel der Wiener Festwochen Häusliche Gewalt oder in Samira Elagoz’ mehrfach ausgezeichnete Performance Cock Cock Who’s There?. Weitere Highlights, die in der Kaserne zu sehen sein werden, sind u.a. das Gastspiel von Gob Squad Western Society oder das Konzert des Schweizer Klavierquartetts Kukuruz.
Auch dieses mal gibt es ein reichhaltiges Diskursprogramm z.B. mit Vorträgen des jungen Schweizer Kulturwissenschaftlers Rohit Jain und der grande dame der Theorie aus Brasilien, Suely Rolnik. Letztere wird über die aktuellen Entwicklungen in Brasilien und damit zugleich über den Zustand der „Demokratie“ nachdenken. Ausserdem gibt es zwei Panels zum Thema Kunst und Gewalt, mit Rabih Mroué, Gabrielle Goliath, Markus Öhrn sowie mit der französischen Autorin Marie Rotkopf („Das Antiromantische Manifest“) und Klaus Theweleit („Das Lachen der Täter“). Wir freuen uns zudem sehr auf das Gespräch mit Didier Eribon zum Thema der Scham. In dem Gespräch wird es - nicht zuletzt auch mit Blick auf die Proteste in Frankreich oder auf den Brexit - auch um die Frage gehen, wie sich Scham zu Zorn wandelt.
Der Eintritt zu den Vorträgen und Gesprächen ist frei!
Das Festival findet neben der Kaserne BAsel auch im ROXY Birsfelden, dem Kunstverein SALTS, der Theodorskirche und dem jungen theater Basel stattfindet.
Gesamt-Programm
Mi 10. April
19:00 Uhr
Eröffnungsvortrag
Rohit Jain: Der Kampf um/gegen eine Weisse Weste. Aufruf zur postkolonialen Verletztlichkeit.
Kaserne Basel, Rossstall 1
20:30 Uhr
Theater
Jaha Koo: Cuckoo
Kaserne Basel, Reithalle
Do 11. April
17:00 Uhr
Vernissage
On Fire: Vulnerable Footage
Kunstverein SALTS
19 Uhr
Tanz
Ligia Lewis: minor matter
ROXY Birsfelden
21 Uhr
Theater
Rabih Mroué: So Little Time
Kaserne Basel, Rossstall 1
21 Uhr
Chor-Performance
Gabrielle Goliath: Elegy
Theodorskirche
Fr 12. April
14 – 18 Uhr
Ausstellung
On Fire: Vulnerable Footage
Kunstverein SALTS
14 Uhr
Vortrag
Realität und Kontext: Staging Realities
Kaserne Basel, Rossstall 1
15 Uhr
Vortrag
Realität und Kontext: Lubimovka
Kaserne Basel, Rossstall 1
17-22 Uhr
Durational
Markus Öhrn - Häusliche Gewalt
KLARA
18 Uhr
Gespräch
Didier Eribon: Politik der Scham
Kaserne Basel, Rossstall 1
19:30 Uhr
Theater
Rabih Mroué: So Little Time
Kaserne Basel, Rossstall 1
19:30 Uhr
Chor-Performance
Gabrielle Goliath: Elegy
Theodorskirche
Sa. 13. April
14 – 18 Uhr
Ausstellung
On Fire: Vulnerable Footage
Kunstverein SALTS
13:00Uhr
Gespräch
Dokument und Verbrechen: Ein Gespräch mit Gabrielle Goliath, Rabih Mroué und Markus Öhrn
Kaserne Basel, Rossstall 1
14 Uhr
Gespräch
Versöhnung, nein: Rotkopf, Theweleit
Kaserne Basel, Rossstall 1
16-21 Uhr
Durational
Markus Öhrn - Häusliche Gewalt
KLARA
17 Uhr
Theater
Markus&Markus - Zwischen den Säulen
ROXY Birsfelden
19 Uhr
Vortrag
Suely Rolnik - Mikropolitik des 21. Jahrhunderts
Kaserne Basel, Rossstall 2
20:30 Uhr
Theater
Gob Squad: Western Society
Kaserne Basel, Reithalle
22:45 Uhr
Konzert
Kukuruz Quartett: Gay Guerrlilla
Kaserne Basel, Reithalle
So 14. April
14-18 Uhr
Ausstellung
On Fire: Vulnerable Footage
Kunstverein SALTS
14:00 Uhr
Performance
Emily Magorrian: Gift
Junges Theater Basel
17 Uhr
Performance
Samira Elagoz: Cock Cock.. Who's There?
Kaserne Basel, Rossstall 1
19h
Theater
Bertrand Lesca & Nasi Voutsas
ROXY Birsfelden
Alle Infos:
www.itstherealthing.ch