Dort wohnen Barbaren – Nichtgriechen mit einem uralten Götterkult. Unter ihrem König Thoas halten sie am Menschenopfer fest: jeder Fremde wird ergriffen und im Tempel der Diana getötet. In zwanzig Jahren hat Iphigenie als Oberste Priesterin der Diana gegen den blutigen Brauch angekämpft. Unter ihrer Anleitung haben die Taurer begonnen, zu den Göttern ohne Opfer, aus der Demut ihrer Herzen, zu reden. König Thoas, berührt von ihrer klugen Menschlichkeit, hat Iphigenie in sein Herz geschlossen. Als er ihr jedoch die Heirat anträgt, schreckt Iphigenie zurück, denn noch immer »das Land der Griechen mit der Seele suchend«, hofft sie auf eine Heimkehr nach Mykene. Thoas droht mit der Wiedereinführung der Opferungen. Da landet Iphigenies blutbefleckter Bruder Orest auf der Flucht vor den Erinnyen auf der Insel. Iphigenies »Projekt Zivilisation« droht zu kippen …
Zwei Gemeinschaften, zwei Kulte, zwei Menschenbilder treffen in Goethes Drama aufeinander. Die alte Religion des Blutopfers oder die moderne Gemeinschaft der kritisch Aufgeklärten – eine der Lebensformen soll sich gegen die andere behaupten. Doch wie »zivilisiert« ist das von Bürgerkriegen zerrissene Griechenland? Und wie »barbarisch« ist die Auffassung, die durch Abschottung einen sicheren inneren Frieden gewinnt? Und was, wenn die rätselhafteste, am wenigsten rationale Macht dazwischentritt: die Liebe?
Regie Annette Pullen
Bühne und Kostüme Iris Kraft