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Im Wartesaal

"Louise" von Gustave Charpentier an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Der 1900 an der Pariser Opéra comique uraufgeführte musikalische Roman "Louise" von Gustave Charpentier wird jetzt an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf in einer Inszenierung von Christoph Loy gezeigt, die bereits 2009 in Duisburg Premiere hatte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts überaus erfolgreich, ist die Oper heue fast in Vergessenheit geraten.

Die Oper spielt im Arbeitermilieu. Louise arbeitet als Näherin und ist in den jungen Dichter Julien verliebt. Er möchte sie heiraten, stößt aber bei Louises Eltern auf Widerstand. Dennoch entscheidet sich Louise, mit Julien zusammenzuleben. Unter dem Vorwand, der Vater sei erkrankt, gelingt es der Mutter, Louise wieder nach Hause zu holen. Es kommt zum Streit zwischen Vater und Tochter. Im Zorn weist er ihr die Tür.

In seiner Inszenierung für die Rheinoper hat Christof Loy das im Libretto angedeutete Psychogramm eines inzestuösen Familienbeziehungsgeflechtes konsequent herausgearbeitet. Seine Louise spielt daher im Wartezimmer eines Arztes. Die allseits bekannte langweilige Wartezimmeratmosphäre wird zu Beginn mit verkrampften Fußhaltungen der Wartenden zelebriert. Die Eltern halten ihre Tochter Louise unter strengem Verschluss und behandeln sie wie ein Kleinkind mit Lätzchenumhängen beim Essen, Schnuteabwischen nach dem Mahl, Zurechtzupfen der Kleidung. Der Vater fordert sexuelle Nähe ein, die Mutter ist folgerichtig eifersüchtig und schlägt sie. Louise hat unter den gegebenen Bedingungen Schwierigkeiten, sich vom Elternhaus zu lösen.

Ähnlich wie in den etwa zeitgleich geschriebenen "Drei Schwestern" von Tschechow Moskau als Sehnsuchtsort fungiert, wird in Charpentiers Oper Paris immer wieder als Ort der Erfüllung aller Sehnsüchte und Hoffnung auf Befreiung aus den engen Lebensverhältnissen verklärt. Für das gestrenge Elternpaar ist Paris dagegen Babylon. Louise hat sich schließlich von ihren Eltern gelöst, lebt mit Julien zusammen und genießt das Leben in vollen Zügen. Statt Zurückgezogenheit und Einsamkeit quillt jetzt die Bühne schier vor Menschen über, als Louise zur Muse von Paris gekrönt wird. Loy erzeugt ein Bild von Delacroix'schen Ausmaßen. Die Rückkehr ins Elternhaus, ist für Louise unerträglich. Nach einem Selbstmordversuch Louises landen wir wieder im Wartezimmer, das sich als Wartezimmer der Psychiatrie entpuppt. Christof Loy stellt Louises Befreiungsakt als Wunschfantasie einer Person dar, die unter Realitätsverlust leidet, nicht zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden vermag. Louises Dichter Julien entpuppt sich als ihr behandelnder Arzt, auf den sie all ihre Hoffnungen übertragen hat.

Loys Interpretation deutet das Libretto sehr genau und macht auch musikalisch insofern Sinn, als sie die etwas euphorische Musik des Parishymnus nachträglich als Wunschdenken Louises erklärt. Unter der musikalischen Leitung von Axel Kober spielten die Düsseldorfer Symphoniker. Eine großartige Ensembleleistung mit einer beeindruckenden Sylvia Hamvasi als Louise, Sergej Khomov als Julien, Marta Márquez als Mutter. Sami Luttinen als Vater konnte sich an diesem Abend leider nur mimisch präsentieren, als seine Stimme sprang dankenswerterweise Philippe Rouillon vom Straßburger Theater ein.

Musikalische Leitung: Axel Kober

Inszenierung: Christof Loy

Bühne: Barbara Pral

Kostüme: Ursula Renzenbrink

Licht: Volker Weinhart

Chor: Gerhard Michalski

Choreografie: Thomas Wilhelm

Dramaturgie: Thomas Jonigk

Louise: Sylvia Hamvasi

Julien: Sergej Khomov

La Mère: Marta Márquez

Le Père: Sami Luttinen / Philippe Rouillon

Düsseldorfer Symphoniker

Premiere 27. September 2008 im Theater Duisburg

Premiere 17. Februar 2010 im Opernhaus Düsseldorf

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