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Im Nebel

"Der Sturm" von William Shakespeare im Düsseldorfer Schauspielhaus

 

Ein Quintett spielt kammermusikalisch auf, bevor dann ein orkanartiger Sturm einsetzt. Mit einer Reminiszenz an den Untergang der Titanic beginnt Volker Hesse seine Inszenierung von Shakespeares "Der Sturm" für das Düsseldorfer Schauspielhaus. Auf einer einsamen Insel, zwischen Neapel und Tunis gelegen, lebt Prospero. Einst war er Herzog von Mailand, bevor er von seinem Bruder Antonio entmachtet und zusammen mit seiner kleinen Tochter in einem Boot im offenen Meer ausgesetzt wurde. Nach zwölf Jahren bietet sich nun endlich die Gelegenheit der Konfrontation, denn Antonio segelt im Gefolge des Königs von Neapel an seiner Insel vorbei. Prospero, der Zauberkunde mächtig, lässt mit Hilfe des ihm dienenden Luftgeistes Ariel, das Schiff seiner Feinde in einem Sturm an der Insel zerschellen. Und ein neues Spiel der Intrigen um die Macht beginnt. Allein durch Vernunft lassen sich die Begierden nicht zähmen, da helfen nur Zauberei und die Kraft der Verzeihung des weisen Prospero, der hier kongenial von Ernst Stötzner gespielt wird.

 

Die Figur des Calliban hat Volker Hesse nach Gollum aus dem "Herrn der Ringe" angelegt. Karin Pfammatter spielt diesen grandios: sie kriecht, schleimt und scharwenzelt bis zur Erschöpfung über die Bühne. Die Gegenfigur ist Urs Peter Halter als Ariel, der stumm bleibt und sich anschmiegsam gibt. Sicherlich sind die Nebenfiguren faszinierend und sie lassen sich auch herrlich in Szene setzten. Volker Hesse konnte dieser Versuchung leider nicht widerstehen und hat das Augenmerk viel zu sehr auf Calliban, Trinculo und Stephano gelegt. Auch die Bühneneffekte werden etwas überstrapaziert: viel Nebelschwaden und stetes Ausfahren des Bühnenbodens. Darüber hinaus bleibt das eigentliche Anliegen des Stückes etwas auf der Strecke., die wahre Größe Prosperos, der auf Rache zugunsten eines humanistischen Ansatzes verzichtet. Das letzte Werk von Shakespeare zeugt von einer durch Altersweisheit oder Reflektion geprägten Milde. Könnte es vielleicht aber auch nur Resignation angesichts der immer wieder sich entfaltenden Machtgelüste sein?

 

Die schauspielerischen Leistungen dieser Inszenierung des "Sturms" sind durchweg hervorragend, und wurden auch vom Publikum im schwach besuchten Schauspielhaus gebührend gefeiert.

 

Mit

Prospero – Ernst Stötzner

Miranda – Klara Deutschmann

Ariel – Urs Peter Halter

Caliban – Karin Pfammatter

Alonso – Hannes Hellmann

Ferdinand – Moritz von Treuenfels

Antonio – Lutz Wessel

Sebastian – Dirk Ossig

Gonzalo – Andreas Weißert

Stephano – Heisam Abbas

Trinculo – Andreas Helgi Schmid

Statisterie – Pujan Sadri, Giuseppe Carramusa

 

Regie – Volker Hesse

Bühne und Kostüme – Stephan Mannteuffel

Musik – Bojan Vuleti?

Choreografie – Laia Sanmartin

Dramaturgie – Oliver Held

 

Premiere

25.04.2015

 

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