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Im Kino der Gefühle: Rolle rückwärts ins Glück?

"32 rue Vandenbranden" von Peeping Tom im Tanzhaus NRW in Düsseldorf

Im nordischen Irgendwo stehen Wohncontainer in schneeiger Landschaft. Hell beleuchtet gewähren sie dem Zuschauer Einblicke ins Alltagsleben eines verliebten Pärchens, einer schwangeren Singlefrau, eines Arbeitslosen auf Freiersfüßen, eines Callboys. In "32 rue Vandenbranden" erzählt Peeping Tom ein groteskes Wintermärchen aus einer Welt zwischen Traum und Wirklichkeit. Komisch, humorvoll und melancholisch zugleich.

Stürmischer Regen, Schnee, Sturm, Gewitter, Erdbeben, Sonnenschein: das Wetter scheint die emotionalen Befindlichkeiten der Protagonisten von Liebe, Streit, Eifersucht, Einsamkeit widerzuspiegeln. Eben noch tollte man fröhlich und ausgelassen im Schnee herum, schon lauert der Ernst und kippt in offene Aggression um. Die Tücke des Objektes zeigt sich scheinbar real im Kampf mit dem Regenschirm bei stürmischem Wetter. Schwere Gepäckstücke entwickeln jedoch ein Eigenleben und verführen den Träger zu unfreiwilligen Rückwärtsrollen. Beim Kuss schwebt man schwerelos im Raum. Und alles wird beobachtet! Die Performer schauen sich gegenseitig rein nachbarschaftlich in die Fenster, der Zuschauer schaut ohnehin zu, wird aber in einer Szene ebenfalls zum Anschauungsobjekt, indem die Performer ihn hemmungslos anstarren. Da wundert es auch nicht mehr, wenn man Skiwanderer, die unvermittelt über die Bühne marschieren, als Außerirdische empfindet, die dem Callboy, der gerade sehr intensiv einer intimen Beschäftigung nachgeht, freundlich lächelnd zuwinken.

Peeping Tom zaubert in "32 rue Vandenbranden" ein bizarre Welt auf die Bühne, angesiedelt zwischen Realismus und Surrealismus. Genau beobachtete Alltagsgesten werden mit grandiosen akrobatischen Elementen gekoppelt. Ein Stück von filmischen Qualitäten, eine kuriose Mischung zwischen Aki Kaurismäki und Pedro Almodevar, angereichert mit Hitchcock'schen Spannungselementen. Ein eigenwilliges, bezauberndes, faszinierendes, bildgewaltiges und virtuoses Theaterereignis!

Konzept, Künstlerische Leitung: Gabriela Carrizo, Franck Chartier

Tanz, Kreation: Seoljin Kim, Hun-Mok Jung, Marie Gyselbrecht, Jos Baker, Maria Craolina VieiaSabine Molenaar, Eurudike und Helena De Beul

Dramaturgie: Nico Leunen, Hildegard De Vuyst

Soundkomposition: Juan Carlos Tolosa, Glenn Vervliet

Bühnendesign: Peeping Tom, Nele Dirckx, Yves Leirs, Frederik Liekens; Bühnenkonstruktion: KVS-atelier, Frederik Liekens

Lichtdesign: Filip Timmerman, Yves Leirs

Kostüme: Diane Fourdrignier, Hyo Jung Jang

Gastspiel 14. bis 16. Juni 2012

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