Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Im Glück und AnderswoIm Glück und AnderswoIm Glück und Anderswo

Im Glück und Anderswo

„ESISSO“ oder „Wes Geistes Kind bin ich eigentlich?“ Ein Stück Theater mit Musik nach Texten von Robert Gernhardt im Theatermuseum Düsseldorf.

Das Düsseldorfer Theatermuseum residiert in einem dekorativen alten Stadtpalais am Rand des Hofgartens und besitzt im Erdgeschoß einen hübschen Veranstaltungsraum, wo immer wieder kammerspielerische Leckerbissen literarisch-theatralischer Art ein begeistertes Publikum finden.

In den letzen Tagen war es der beliebte Literat Robert Gernhardt, Düssseldorfer Heine-Preisträger von 2004 und momentan Gastdozent an der Heine-Universität, der hier von einem Schauspielerpaar und einer Saxophonistin gefeiert wurde. Und zwar in einer leichtfüßigen und doch gewichtigen, witzig-ernsten, fantasievollen Bühnenschau.

 

Gedichte und Prosasentenzen wurden zu einer farbenreichen Blumenkette zusammengesteckt und in eine dramatische Verdichtung geführt, die weniger den äußeren als den inneren Modulationen der Gernhardtschen Thematik entspricht. Paarungsprobleme in vielen Spielarten kommen ausgiebig zur Sprache, zu Gernhardts unverwechselbar ironischer, manchmal bitterer aber meistens versöhnlicher Sprache. Ein wichtiger Schwerpunkt auch die selbstquälerische Frage des Künstlers nach der Bedeutung seines Schaffens in der oft achtlosen Gesellschaft. Und der Tod, der sich überraschend heftig in Ängsten und Verzeiflungsanfällen spiegelt. Jedes Gedicht ist ein Mikrokosmos für sich und wird als solcher präsentiert, und doch fügen sich alle scheinbar mühelos in einen beschwingten Ablauf.

 

Die Überzeugungskraft dieses literarisch-theatralischen Reigens ist vor allem das Verdienst der beiden Schauspieler, die auch die Textauswahl besorgten. Sylvia Schlunk und Wolfgang Wirringa verleihen mit ihrem intensivem Wechselspiel den Gedichten Gestalt und Sinnlichkeit. Dabei erliegen sie nie der Gefahr, in ein vordergründiges Rollenverhalten zu verfallen, sie wahren immer die liebevolle Distanz des Interpreten zur Gedichtform und entwickeln gerade damit eine Spielart, die auf der Bühne ihre Wirkung entfaltet. Sie sprechen glasklar, sie spielen mit sparsamen aber eindringlichen Gesten und Bewegungen.

Bekleidet sind sie mit leichten hellen Stoffen. Auf der Bühne stehen außer zwei Pulten Möbelstücke aus Pappkarton. Papierblumen und Papierbuchstaben werden gestreut und geworfen, Packpapier hängt an der Wand, das mit Buchstaben und Zeichen beschrieben wird. Der Mann stellt einmal mit Entsetzen fest, dass sein linker Fuß ein Weißbrot ist. Die Frau will sich ein Stück davon abschneiden und hat plötzlich ein blutiges Messer in der Hand. Es ist das klug eingesetzte kleine Gewaltrequisit, das auf die manchmal dunklen Hintergründe der Gernhardtschen Witzigkeit deutet.

Die Musikerin Sammy Kreikenbaum hat auf der rechten Seite der Bühne ihren wie angestammt wirkenden Sitz. Sie begleitet das Geschehen mit frechen Saxophonpassagen und knapp formulierten Merksätzen, die sehr lustig jede lyrische Überhöhung auf einen prosaischen Nenner bringen. Ganz im Sinne Robert Gernhardts, dessen Narrenkappe sich zum Dichterlorbeer gewandelt hat.

 

Ein wunderschöner Abend, dem noch viele Vorstellungen zu wünschen sind.

 

Premiere am 24. November 2005 im Theatermuseum Düsseldorf

 

 

 

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

DER MAGISCHE GURU IM GLASHAUS - "L'elisir d'amore" von Donizetti in der Staatsoper Stuttgart

In Donizettis turbulenter zweiaktiger Oper wirft die Liebe den Landarbeiter Nemorino völlig aus der Bahn. Seine Angebetete ist die Gutsbesitzerin Adina, die jedoch völlig unberührt bleibt. Der…

Von: ALEXANDER WALTHER

VIELFÄLTIGE TALENTE - Abschlusskonzert Gesang der Meisterklasse von Anna Larsson

Die schwedische Sängerin Anna Larsson, die mit Dirigenten wie Daniel Barenboim, Zubin Mehta, Sir Simon Rattle, Christoph von Dohnanyi oder Kent Nagano zusammenarbeitete, stellte die vielfältigen…

Von: ALEXANDER WALTHER

REISE NACH PARIS - "Mitten im Orchester" mit den Stuttgarter Philharmonikern im Gustav-Siegle-Haus in Stuttgart

Wieder nahmen die Stuttgarter Philharmoniker ihr Publikum auf eine aufregende Reise "Mitten im Orchester" mit. Diesmal stand Paris im Mittelpunkt. Igor Strawinskys Suite für kleines Orchester Nr. 1…

Von: ALEXANDER WALTHER

MUSIK DER WORTE - 1. Liedkonzert mit Mingjie Lei und Jan Philip Schulze in der Staatsgalerie Stuttgart

Mit der tonalen und melodisch eingängigen Komposition "Jin Se" des chinesischen Komponisten Long Wang wurde dieses besondere Liedkonzert eröffnet. Dieses Lied basiert auf einem 3000 Jahre alten…

Von: ALEXANDER WALTHER

HARMONISCHE VIELSCHICHTIGKEIT - Bietigheimer Orgelherbst mit Przemyslaw Kapitula in der St. Laurentiuskirche BIETIGHEIM-BISSINGEN

Gleich zu Beginn überzeugte der aus Warschau stammende Organist Przemyslaw Kapitula mit Fantasie und Fuga in a-Moll BWV 561 von Johann Sebastian Bach. Dabei arbeitete er die thematische Verarbeitung…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑