Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
GlaubensfragenGlaubensfragenGlaubensfragen

Glaubensfragen

"b32" - Petite Messe solennelle (Uraufführung) von Martin Schläpfer - Deutsche Oper am Rhein

Copyright: Gert Weigelt

 

Ein Spätwerk von Gioacchino Puccini, die "Petite Messe solennelle", hat sich Martin Schläpfer für seinen abendfüllenden Ballettabend "b32" ausgesucht. Die kleine feierliche Messe wurde in der Privatkapelle des Grafen Michel-Frédéric Pillet-Will in Paris uraufgeführt und ist mit Sopran, Alt, Tenor, Bass, zwei Klavieren, Harmonium und gemischten Chor ungewöhnlich orchestriert. Sie hat neben dem feierlichen Ernst auch Heiteres zu bieten. Es waren wohl die opernhaften Anklänge, die Schläpfer zu seiner Choreographie anregte, in die er das ganze Ensemble von immerhin 45 Tänzerinnen und Tänzern einbindet. Er erzählt keine Heilsgeschichte Jesu, noch bebildert er die Liturgie, sondern zeigt den Glauben im Alltag, mit der Befolgung religiöser Rituale, aber auch mit den Zweifeln und Versuchungen.

 

In einer nüchternen dunkelgrauen Architektur, die durch ihre angedeuteten Rundbögen sowohl an das Innere einer Kirche als auch an die Arkadengänge eines Marktplatzes denken lässt, spielen kleine Genreszenen aus dem Leben in einer italienischen Kleinstadt. Durch die einfache Kleidung lässt sich das Geschehen auf die Nachkriegszeit Ende der 1940er Jahre datieren, als der christlich-katholische Glauben noch eine größere Rolle im Leben der Menschen spielte, aber auch in einer großen Krise angekommen war.

 

Eine Frau kriecht unter Stühlen hervor, hat sie in der Kirche geschlafen? Männer trinken Espresso oder rauchen im Cafe, tragen Brot und Schinken. Der Schinken wird zum Prügel. Ein überdimensionierter Rosenkranz gleitet in den Schoß. Rote Fahnen werden über den Platz getragen, sie zeigen das Konterfei von Papst Johannes Paul II. Wir begegnen mehrmals einer alten Frau und einem Priester, der von Mitgliedern seiner Gemeinde umringt wird, aber auch erotischen Versuchungen ausgesetzt ist. Diese erzählenden Elemente werden immer wieder durch abstrakte Darbietungen unterbrochen, in denen der Tanz im Vordergrund steht und in denen sich innere Zustände ausdrücken. Szenen mit flatternden Händen, mit stampfenden Füßen wechseln mit fließenden Episoden ab. So drückt sich die ganze Widersprüchlichkeit des menschlichen Daseins aus.

 

Ein Abend, der auch gesanglich beeindruckte und der beim Publikum stürmischen Beifall fand.

 

MUSIK „Petite Messe solennelle“ für Sopran, Alt, Tenor, Bass, zwei Klaviere, Harmonium und gemischten Chor sowie Klavierstücke aus den „Péchés de vieillesse“ von Gioacchino Rossini

Choreographie: Martin Schläpfer

Musikalische Leitung: Gerhard Michalski

Bühne & Kostüme: Florian Etti

Chorleitung: Gerhard Michalski

Licht: Volker Weinhart

Sopran: Morenike Fadayomi

Alt: Katarzyna Kuncio

Tenor: Ovidiu Purcel

Bass: Günes Gürle

Klavier: Eduardo Boechat, Dagmar Thelen, Wolfgang Wiechert

Harmonium: Patrick Francis Chestnut

 

Tänzerinnen: Ann-Kathrin Adam, Marlúcia do Amaral, Camille Andriot, Doris Becker, Wun Sze Chan, Sabrina Delafield, Mariana Dias, Feline van Dijken, Sonia Dvořák, Alexandra Inculet, Christine Jaroszewski, Kailey Kaba, Yuko Kato, So-Yeon Kim, Helen Clare Kinney, Norma Magalhães, Cassie Martín, Asuka Morgenstern, Claudine Schoch, Virginia Segarra Vidal, Elisabeta Stanculescu, Julie Thirault, Irene Vaqueiro

 

Tänzer: Rashaen Arts, Brice Asnar, Yoav Bosidan, Rubén Cabaleiro Campo, Odsuren Dagva, Michael Foster, Filipe Frederico, Philip Handschin, Vincent Hoffman, Richard Jones, Sonny Locsin, Marcos Menha, Tomoaki Nakanome, Bruno Narnhammer, Chidozie Nzerem, Marcus Pei, Alban Pinet, Friedrich Pohl, Boris Randzio, Alexandre Simões, Arthur Stashak, Eric White

 

Chor der Deutschen Oper am Rhein

 

Termine: 15 Juli; am 21. Juni bei den Ludwigsburger Festspielen; am 22. Juli um 20.15 Uhr auf 3sat

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 17 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

WECHSELSPIEL DER STIMMUNGEN -- 5. Kammerkonzert "Nordlichter" des Staatsorchesters Stuttgart im Mozartsaal der Liederhalle STUTTGART

Die Natur spielt in den Kompositionen des lettischen Komponisten Peteris Vasks eine große Rolle. In seinem 1977 geschriebenen ersten Bläserquintett erkennt man dies sehr deutlich. Anklänge an Sibelius…

Von: ALEXANDER WALTHER

IM REICH DER RHEINMÄRCHEN -- Stuttgarter Philharmoniker mit Lise de la Salle im Forum am Schlosspark LUDWIGSBURG

Es war eine besondere Begegnung von Robert Schumann und Franz Liszt, die sich persönlich gut kannten. Unter der temperamentvollen Leitung von Jan Willem de Vriend (derzeit Chefdirigent des Wiener…

Von: ALEXANDER WALTHER

DAS MARMORSTANDBILD LEHRT DAS GRUSELN -- "Don Giovanni" von Mozart im Theater HEILBRONN

"Don Giovanni glaubt vielleicht sogar an Gott, er will nur nichts von ihm hören, da dies sein Genussleben stören würde", meinte Bertolt Brecht. Don Giovanni kennt auch in der subtilen Inszenierung von…

Von: ALEXANDER WALTHER

HYSTERIE AM SPIELTISCH -- "Der Spieler" nach Dostojewskij von Sergej Prokofjew in der Staatsoper STUTTGART

In der suggestiven Inszenierung von Axel Ranisch wird die Geschichte ganz aus der Sicht Polinas als Stieftochter des Generals erzählt. Sie will ihren widrigen Lebensumständen unbedingt entfliehen.…

Von: ALEXANDER WALTHER

TRÄUMERISCHE VISIONEN -- Neue CDs beim Label naïve: Brahms' Klavierkonzerte mit Herbert Schuch und den Bochumer Symphonikern

Für den rumänischen Pianisten Herbert Schuch gibt es keine Alternative zu den beiden Klavierkonzerten von Johannes Brahms. Keine anderen Konzerte würden die große Geste, virtuos dramatische…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑