Aber Horváth, diese „ungarisch-österreichische Mischung“, dieser in deutsch schreibende Autor, der im Jahr 1931 seine größten literarischen Erfolge feierte – die Uraufführungen der Dramen Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wiener Wald und die Verleihung des Kleist-Preises - , dieser Autor hat den kalten Blick auf seine Figuren.
Das vordergründige Handlungsgeschehen dieses Volksstückes spielt im kleinbürgerlichen Milieu. Marianne, Tochter des Zauberkönigs, des Inhabers eines Spielwarengeschäfts steht vor der Verlobung mit dem benachbarten Fleischermeister Oskar, verliebt sich jedoch in den Strizzi Alfred, der sich seinerseits aus der Beziehung zu der Trafikantin Valerie löst. Marianne lässt die Verlobung platzen und wird daraufhin vom Vater verstoßen.
Ein Jahr später sieht man das Paar Alfred und Marianne mit seinem Kind Leopold in einem „möblierten Zimmer“ unter ärmlichen Bedingungen wieder. Zur Verbesserung der finanziellen Situation wird die Berufstätigkeit Mariannes erwogen. Sie, die immer von einem Institut für rhythmische Gymnastik geträumt hat, soll als Revuegirl den Unterhalt für sich und Leopold verdienen. Das Kind wird zu Alfreds Mutter und Großmutter in die Wachau gebracht. Alfred verlässt Marianne.
In einem Nachtclub kommt es zu einer Begegnung des Zauberkönigs mit seiner Tochter Marianne, die hier als Nackttänzerin arbeitet. Marianne begeht einen kleinen Diebstahl, muss ins Gefängnis und kehrt gebrochen zu ihrem Vater zurück. Das Kind Leopold ist durch die Schuld der Großmutter in der Wachau verstorben. Oskar, der auf Marianne gewartet hat, nimmt sie nun zur Frau und auch Alfred und Valerie sind, nach erniedrigenden Erfahrungen mit Erich, dem deutschnationalen Neffen des Zauberkönigs, wieder ein Paar.
So entspricht die Handlung dem gängigen Komödienschema: Paare werden getrennt und finden nach einigen Wirren in einen Happy End wieder zueinander. Aber Horváth schreibt alles andere als ein glückliches Ende. Denn hinter dem weinseligen Zuckerguss und dem Wiener Gemütlichkeits-Kitsch verbirgt sich der Mensch, der, wenn er aus seiner Zivilisationshaut fährt, sein feiges und gewalttätiges Tiergesicht zeigt. „Sind’s nicht tierisch?“ fragte Horváth als man ihn zu seinen Figuren befragte.
Die Zeitgenossen und die zeitgenössischen Kritiker haben den blanken Kern des Stückes erschreckend erkannt – und die national-deutsche Presse hat sofort ein Verbot der Horváthschen Inszenierungen betrieben.
„Eine Vielzahl origineller Gestalten, komisch-tragisch in ihrer Privateinstellung zum schwer gewordenen Dasein; erst sehr locker in den Beziehungen zueinander, nüchtern egoistisch oder nur vulgär zynisch. Wer sein Inneres öffnet, zeigt einen Haufen Müll, eine Kloake. Ein Schattenwalzer menschlicher Gemeinheit, männlicher Dummheit, sturer Verkommenheit, weiblicher Tücke. Geschichten aus dem Wiener Wald!“
Dies schreibt Norbert Falk in der Berliner Zeitung am Mittag am 3.11.1931
Inszenierung Gerhard Willert
Bühne Florian Parbs
Kostüme Alexandra Pitz
Musik Christoph Coburger
Dramaturgie Franz Huber
Eva-Maria Aichner Die Mutter/Emma
Franziska Cramer Eine gnädige Frau/Eine Tante/Baronin/
Eine Striptease-Künstlerin
Barbara Novotny Marianne
Verena Koch Valerie
Alexander Gier Ö. v. Horváth/Der Conférencier/Beichtvater
Joachim Rathke Der Mister
Sven-Christian Habich Oskar
Thomas Kasten Zauberkönig
Klaus Köhler Erich
Stefan Matousch Der Hierlinger Ferdinand
Ferry Öllinger Havlitschek
Karl M. Sibelius Die Großmutter
Guido Wachter Alfred
Lutz Zeidler Rittmeister
Melissa Steinlechner/
Sophie Hochedelinger Ida (Kind)
Bernhard Schabmayr Live Electronics
Weitere Vorstellungen im März 2008: 18.3., 29.3.