8. – 23. Oktober 2016
Für zwei Wochen lädt das Gorki zu einem »Volksfest« mit zahlreichen internationalen Theatermacher*innen, Künstler*innen und Denker*innen, die dem westlichen, jahrtausende alten Exportschlager »Demokratie« mit Stücken, Performances und Diskussionen zu Leibe rücken. In rund 20 Veranstaltungen erzählen sie, wie sich der Traum nach Gleichheit in widersprüchlichen Biografien niederschlägt, wie die Selbstbestimmung des Körpers in der Masse Spannung erzeugt, sie feiern die Vielfalt und die Gemeinsamkeit.
Von und mit: Hiam Abbass, Lola Arias, Arjun Appadurai, Jakob Augstein, collektive temporaire, András Dömötör, Nurkan Erpulat, Marcel Fratscher, Oliver Frjlić, Ruud Gielens, Marta Górnicka, Suna Gürler, Junger Berliner Rat, Mely Kiyak, Ariane Koch, Zainab Magdy, Krzysztof Minkowski, Ahmet Sami Özbudak, Rimini Protokoll, Kevin Rittberger, TALKING STRAIGHT, Thomas Wodianka.
Mit Gastspielen von: Bakırköy Belediye Tiyatrosu Istanbul, Kaaitheater Brüssel, Staatstheater Braunschweig, GalataPerform Istanbul
Das Festival ist gefördert aus den Mitteln des Hauptstadtkulturfonds.
Perspektiven von Frauen und Akteurinnen prägen maßgeblich das Festival UNITING BACKGROUNDS. Das Zentrum des Festivals bilden zwei Produktionen von Regisseurinnen. Die Argentinierin Lola Arias erzählt in ihrer Inszenierung Atlas des Kommunismus gemeinsam mit neun Protagonistinnen im Alter zwischen acht und 84 Jahren von widersprüchlichen Lebensrouten zwischen Geschichte und Generationen. Kurz vor dem 100. Jahrestag der Oktoberrevolution folgt sie Biografien von Frauen durch eine Welt der Ideale von Sozialismus und Kommunismus (Uraufführung, 8. Oktober, u. a. mit Ruth Reinecke, Tucké Royal und Salomea Genin). Wieviel Raum jungen Frauen heute in der Gesellschaft zusteht, erforscht die Nachwuchsregisseurin Suna Gürler mit sieben nicht professionellen Schauspielerinnen. Hervorgegangen aus dem Jugendclub Die Aktionistinnen erobern sich die jungen Frauen mit der Inszenierung Stören die Bühne des Maxim Gorki Theaters und zeigen eine wütende, energiegeladene Bestandsaufnahme von Frauen heute. (Uraufführung, 19.10.)
Ein Chor, der flüstert, schreit, singt und die Frage: Wer ist das Volk?: Mit M(other Courage) von Regisseurin Marta Górnicka kommt eine radikale Form des avantgardistischen politischen Theaters nach Berlin, das bei seiner Uraufführung in Braunschweig für Furore sorgte und welches zu den Gastspielen des Festivals zählt. Darunter sind auch internationale Produktionen: In the Eyes of Heaven des Kaaitheaters Brüssel ist ein Monolog über die Hoffnung und Enttäuschung einer Frau während des arabischen Frühlings, gespielt von der international renommierten Schauspielerin Hiam Abbass (Regie: Ruud Gielens). Und Gorki-Hausregisseur Nurkan Erpulat zeigt seine aufsehenerregende Istanbuler Inszenierung von Wolfram Lotz' Stück Die lächerliche Finsternis, das er aus dem Blickwinkel der Türkei interpretiert.
Darüber hinaus sind neue Arbeiten internationaler Theatermacher*innen zu sehen: Den Blick in die polnische Geschichte richtet Regisseur Krzysztof Minkowski, der sich in Mythen der Wirklichkeit #1 - Die zwei Monddiebe eines real-polnischen Mythos' anhand der Lebensgeschichte der Kaczyński-Brüder annimmt. Unter dem Titel Hilfe, das Volk kommt!, präsentieren die drei Dramatiker*innen Ariane Koch aus Basel, Zainab Magdy aus Kairo und Ahmet Sami Özbudak aus Istanbul neue Dramentexte in Zeiten der politischen Verunsicherung.
Wohingegen das Künstler*innen-Kollektiv TALKING STRAIGHT aus dem Bedürfnis nach Sicherheit in krisenhaften Zeiten ein Supergrundrecht macht und als künstlerische Security-Agentur das Festival durchgehend mit Performances und Shows bespielt – alles in erfundener Fremdsprache. Während die Schriftstellerin Mely Kiyak das reale politische Vokabular dieser Tage seziert. Sie stattet ihre Performance Rechte Reden ausschließlich mit Original-Zitaten der AfD aus. Zum Abschluss des Festivals entwirft Kevin Rittberger eine vielfältige politische Zukunft, wenn er zwei Tage Theoretiker*innen und Künstler*innen für eine Alchemie des Neuanfangs ins Studio Я einlädt.
Mit einem umfangreichen Diskurs-Programm begleitet das Gorki Forum das Festival: im Anschluss an die Theaterstücke finden regelmäßig öffentliche Gespräche statt, in denen sich die Künstler*innen des Festivals mit Expert*innen und dem Publikum über Politik und Kunst austauschen (u. a. Jakob Augstein, Marianne Birthler, Ulrike Guérot, Hoda Salah, Ebru Tasdemir, Anne Wizorek). Angesichts der Frage von marktkonformer Demokratie oder demokratiekonformer Märkte sprechen in der Matinée-Veranstaltung Berliner Korrespondenzen der international renommierte Ethnologe Arjun Appadurai und Marcel Fratzscher, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, über Verteilungskämpfe in Zeiten der Globalisierung. Während des Festivals soll auch das Konzept eines Jungen Berliner Rats entwickelt werden: eine Gruppe von jungen Menschen, die für den Zeitraum eines Jahres Utopien für die Stadtgesellschaft entwickeln soll.
Außerdem: 50 Aktenkilometer von Rimini Protokoll, 100 Jahre Widerstand von collektive temporaire, Tribunal »NSU-Komplex« auflösen etc.
Alle Infos
www.gorki.de/de/themenseite-festival-uniting-backgrounds