Dabei ist ihr Stück keineswegs Dokumentartheater, das die „schlimmen Verhältnisse“ anklagt, sondern Zeller stellt – mal anrührend, mal absurd komisch – drei Frauen und deren ganz individuellen Umgang mit ihrem aufreibenden Job in den Mittelpunkt. In der Inszenierung von Regisseur Thomas Ladwig und im spektakulären Bühnenbild von Ulrich Leitner feiert „Kaspar Häuser Meer“ im Grillo-Theater Premiere.
Zwischen Aktenbergen, die sich in „Dringend”-, „Brennt”- und „Kann warten, sollte aber eigentlich”-Stapel unterteilen, kämpfen drei Sozialarbeiterinnen des Jugendamtes gegen Kindeswohl¬gefährdung und familiäre Verwahrlosung. Tagtäglich bewegen sie sich irgendwo zwischen Basis und Gesetz, unter kritischer Permanentbeobachtung der Medien, die nur auf Fehler lauern. Die Sehnsucht nach Prävention ist riesig. Mindestens genauso groß ist die Angst vor Fehlentscheidungen und deren Konsequenzen. Als dann auch noch Kollege Björn mit „Björn-Out-Syndrom” aus dem Arbeitsalltag ausscheidet und weitere Massen von zu bearbeitenden Fällen hinterlässt, ist ein neues Stress-Hoch erreicht. Jede der selbst pflege¬bedürftigen Helferinnen versucht das wachsende Loch von Müdigkeit und scheinbarer Ergebnislosigkeit der Arbeit auf ihre Weise zu stopfen: Gelähmt von der übergroßen Verantwortung flüchtet sich Silvia (Silvia Weiskopf) in Computer-Spiele, Alkohol und noch mehr Arbeit. Barbara (Ingrid Domann) träumt von Urlaub und menschenleeren Gegenden, während Annika (Barbara Hirt) als alleinerziehende Mutter plötzlich selbst ins Visier der Behörde gerät.
Bei den Mülheimer Theatertagen 2008 gewann „Kaspar Häuser Meer“ den Publikumspreis.