Es dauert nicht lange, und die nur mühsam unterdrückten Konflikte treten offen zu Tage: Wer ist schuld am Unglück der Tyrones? Der Vater, James Tyrone, einst ein gefeierter Bühnenstar, der um des finanziellen Erfolgs Willen sein Talent verraten hat und mit seinem zwanghaften Geiz die Familie tyrannisiert? Die Mutter, deren bürgerliche Lebensträume sich mit den Zumutungen der Künstlerexistenz nicht vereinbaren ließen, und die sich deshalb mit Hilfe von Morphium in Traumwelten flüchtet? Der älteste Sohn, Jamie, der Bar und Bordell den Vorzug gegenüber einer geregelten Erwerbsarbeit gibt? Oder Edmund, der jüngere Sohn, der an Schwindsucht erkrankt ist? Je mehr die vier Protagonisten sich streiten, sich ihrem Selbst-mitleid ergeben und sich in Selbstbetrug üben, desto deutlicher wird: Jeder hat seinen Teil zum Schicksal der Familie beigetragen, und keiner von ihnen kann diesem Schicksal entfliehen.
Der amerikanische Dramatiker Eugene O'Neill, der 1936 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, arbeitete in seinem mittlerweile zum Klassiker avancierten Stück die eigene Familiengeschichte auf. Doch auch über fünfzig Jahre nach seiner Uraufführung hat "Eines langen Tages Reise in die Nacht" nichts von seiner Aktualität eingebüßt: Über die Tragödie der Familie Tyrone hinaus zeichnet O'Neill das düstere Bild einer Gesellschaft, in der Erfolg und soziales Prestige alles sind, und die individuellen Lebensträumen jenseits der vorgegebenen Muster keinen Raum bietet.
Regie: Barbara-David Brüesch, Bühne: Damian Hitz, Kostüme: Adelheid Walter, Musik: strøm (Gaudenz Badrutt, Christian Müller), Dramaturgie: Christian Holtzhauer
Mit: Thomas Eisen (James Tyrone, Jr.), Christoph Gawenda (Edmund Tyrone), Elmar Roloff (James Tyrone), Cornelia Schmaus (Mary Tyrone)