Klara, die Tochter des Tischlermeisters Anton, erwartet von ihrem Verlobten Leonhard ein Kind. Dass ihr Vater die erhoffte Mitgift seinem alten, bedürftigen Lehrmeister geschenkt hat, wurmt Leonhard sehr. Als Klaras Bruder Karl des Juwelendiebstahls verdächtigt und verhaftet wird, nimmt Leonhard das als willkommenen Anlass sich von ihr loszusagen. Klaras schwerkranke Mutter stirbt als sie bei einer wüsten Hausdurchsuchung mit der Anklage gegen ihren Sohn konfrontiert wird. Klaras Vater, ein frommer, starrer Mann, weiß nichts von Klaras Zustand, und fordert nun von ihr, dass sie die Familienehre rettet und sich nichts zuschulden kommen lässt. In ihrer Verzweiflung sucht Klara noch einmal Leonhard auf, obwohl sie ihn nicht liebt, um ihn zu einer Hochzeit mit ihr zu überreden. Zwar hat sich inzwischen Klaras Bruder als unschuldig erwiesen, trotzdem sagt Leonhard ihr kaltblütig, dass er inzwischen eine bessere Partie gefunden habe. Klaras trifft ihren Jugendfreund, den Sekretär, wieder und gesteht ihm ihre Liebe, die dieser erwidert. Er macht ihr einen Heiratsantrag, aber Klara fühlt sich verpflichtet, ihn aufzuklären. Der Sekretär fordert Leonhard zu einem Duell. Klara in ihrer Verzweiflung und dem Gefühl, ihrem Vater keine Schande bereiten zu dürfen, sieht als einzigen Ausweg ihren Suizid.
Hebbel bürgerliches Trauerspiel macht die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich. Fleiß, Ordnung, Frömmigkeit und Gotteslohn stehen die Macht der Gefühle, des Begehrens und der Sehnsüchte gegenüber. Die Problematik von Hebbels "Maria Magdalena" scheint etwas aus der Mode gekommen zu sein, denkt man aber an Migrantenfamilien in Deutschland, so kann man gewiss sein, dass auch heute noch die Frage der Familienehre eine große Rolle spielt. Stephan Rottkamp hat jedoch das Stück nicht in die Jetztzeit verlegt, sondern belässt es in etwa in der Entstehungszeit 1844.
Sich wiederholende Sinnsprüche verzieren die Wand, die auf Ehre anspielen und auf Frömmigkeit und Bürgerlichkeit hinweisen. Das Bühnenbild ist ansonsten sehr reduziert und gelungen, einzig das moderne Büro mit der Silhouette der Düsseldorfer Hafenarchitektur wirkt etwas deplaziert.
Ein Kinderchor, der Volks- und Kirchenlieder vorträgt, dient als Zwischenspiel und sozusagen als bürgerliches Äquivalent des antiken Chores. Ein Stilmittel des Regisseurs, der damit noch einmal Hebbels Stück in der protestantischen Lebenswelt des 19. Jahrhunderts verankert. Überhaupt scheint Stephan Rottkamp viel über Stilmittel nachgedacht zu haben, so wenn er essentielle Schlüsselsätze zweimal wiederholen lässt, die dann in der Schlussszene als Gedankensplitter Klara zu ihrer Verzweiflungstat anstacheln. In dieser Schlussszene lässt er Klara in einer Art Traumvision vor ihrem Selbstmord zum Messer greifen, um allen Männern die Kehle durchzuschneiden, ein makaberer, aber durchaus einleuchtender Kunstgriff, verdient hätten sie es allemal. Ein gelungenes, durchkomponiertes Regiekonzept.
Christiane Rossbach gibt die Mutter als sanftmütiges Wesen, die ihren Sohn zu verkennen scheint. Matthias Leja verkörpert den frommen, aufrichtigen, aber starren Vater, dem aufgrund seiner beschränkten Weltsicht das Verständnis abhanden kommt. Als Sekretär ist Robert Gerloff für den erkrankten Milian Zertawy eingesprungen, und hat sich wacker geschlagen. Wolfram Rupperti gelang es sowohl den rachsüchtigen Gerichtsdiener als auch den reumütigen Kaufmann überzeugend darzustellen. Den Charakter des Leonhard hat Michele Cuciuffo besonders gut herausgearbeitet, er ist nicht nur gemein und berechnend, sondern zeigt auch Zeichen der Selbstreflexion und versucht, Aufschluss über seine und auch Klaras Gefühle und Handlungsweise zu gewinnen. Anna Kubin als Klara überzeugte in jeder Hinsicht, ihr Spiel zwischen Selbstvergessenheit, Heiterkeit, Melancholie und Verzweiflung war in jeder Sekunde nachvollziehbar.
Inszenierung: Stephan Rottkamp
Bühne: Robert Schweer
Kostüme: Katharina Kromminga
Darsteller: Matthias Leja, Christiane Rossbach, Anna Kubin, Daniel Nerlich, Michele Cuciuffo, Robert Gerloff (statt Milian Zertawy), Wolfram Rupperti
Mitglieder des Ratinger Kinder- und Jugendchors
Musik: Cornelius Borgholte
Premiere 9. Mai 2008, Großes Haus