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Ein Leben in AngstEin Leben in AngstEin Leben in Angst

Ein Leben in Angst

"Dialogues des Carmélites" von Francis Poulenc in der Deutschen Oper am Rhein

Das Gefühl der Angst bestimmt Blanches Leben von Geburt an. Ihre Mutter musste anlässlich eines Festes vor der in Panik geratenen Menge fliehen, bei der zu frühen Niederkunft stirbt sie. Während der Vater Blanches Ängste gar nicht wahrnimmt, neigt ihr Bruder dazu, sie zu sehr zu beschützen, was erst recht zu einer Manifestation dieser existentiellen Ängste führt. Aus Angst vor der Angst tritt Blanche schließlich in das Kloster der Karmeliterinnen ein. Aber auch dort kommt sie nicht von ihren Ängsten los. Die lebensfreudige Novizin Constance, der Gegenpol zu der ernsten Blanche, berichtet von ihrer Vision, dass sie zusammen sterben würden: Die Priorin stirbt und die Totenwache erzeugt erneut Ängste bei Blanche. Das Kloster wird in Folge der französischen Revolution aufgelöst und die Nonnen müssen den Konvent verlassen. Blanche kehrt in das geplünderte Haus ihres Vaters zurück, der hingerichtet wurde. Die Nonnen werden inhaftiert und sollen unter der Guillotine sterben. Singend gehen sie in den Tod. Blanche schließt sich ihnen als letzte an und überwindet endlich im Tod ihre Angst.

Angst, Tod, Leiden, Vergänglichkeit sind die bestimmenden Motive der 1957 uraufgeführten Oper "Dialogues des Carmélites" von Francis Poulenc, dennoch eignet der Musik nicht ein schwermütiger Ton. Es ist die Kraft des Glaubens ohne irgendeinen Pathos, die hier zum Ausdruck kommt und mit großer Empathie und fast meditativer Klarheit von den Düsseldorfer Symphonikern unter der Leitung von Ralf Lange interpretiert wird. Die Inszenierung des flämischen Regisseurs Guy Joosten für die Deutsche Oper am Rhein besticht durch ihre Reduktion, die das zurückgezogene Leben der Nonnen widerspiegelt.

In der von Johannes Leiacker gestalteten Bühne ist das Schwarz-Weiß der Nonnentracht bestimmender Ton. Die Ausstattung ist bewusst schlicht und karg gehalten, ein hohes Bücherregal deutet den Salon des Marquis an, ein paar Bänke das Kloster, ein großes schwebendes Kreuz die Klosterkirche, ein weißer quadratischer Bodenbelag das Gefängnis. Menschenmassen laufen in den orchestralen Parts der Oper als Video-Scherenschnitte über eine weiße Leinwand. Eindrucksvoll die abschließende Todesszene: jeweils eine schwarze Stoffbahn fällt beim Tod einer Nonne aus dem Schnürboden. Die Nonnen gehen erhobenen Hauptes von der Bühne ab. Ein starkes Symbol für die Unbeugsamkeit der Nonnen und den Glauben an ein Weiterleben nach dem Tode!

Neben Anett Fritsch als reine, von Angst erfüllte Blanche brillierte als ihr Gegenpart Alma Sadé in der Rolle der quirligen Schwester Constance. Auch Susan Maclean als Piorin war mehr als überzeugend.

Euphorischer Beifall für eine großartige, überzeugende Inszenierung und eine hervorragende Ensembleleistung.

Francis Poulenc

DIALOGUES DES CARMÉLITES

Opéra in drei Akten und zwölf Bildern

Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Drama von Georges Bernanos

In französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Musikalische Leitung: Ralf Lange

Inszenierung: Guy Joosten

Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker

Licht: Manfred Voss

Chorleitung: Christoph Kurig

Produktionsdramaturg: Luc Joosten

Dramaturgie: Bernhard F. Loges

Marquis de la Force: John Wegner

Blanche: Anett Fritsch

Chevalier: Corby Welch

Madame de Croissy, Priorin: Susan Maclean

Madame Lidoine, neue Priorin: Helen Lyons

Mère Marie: Jeanne Piland

Soeur Constance: Alma Sadé

Mère Jeanne: Katarzyna Kuncio

Soeur Mathilde: Maria Kataeva

Beichtvater: Bruce Rankin

Erster Kommissar: Florian Simson

Zweiter Kommissar: Lukasz Konieczny

Offizier: Daniel Djambazian

Thierry/Kerkermeister: Dmitry Lavrov

Monsieur Javelinot: Manfred Klee

Chor: Chor der Deutschen Oper am Rhein

Orchester: Düsseldorfer Symphoniker

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