Getrieben von einer seltsamen Melange aus Klatschsucht und dem Wunsch, sich die eigene Frustration von der Seele zu reden, offenbart sie dem Untermieter intimste Details aus dem Familienleben der Baronin, seiner Vermieterin. Diese war verheiratet mit einem angesehenen, aber früh verstorbenen Gerichtspräsidenten.
Die Tochter Hildegard aber, so eröffnet die Magd Zerline ihre Erzählung, sei ein Bastard, gezeugt während eines einmaligen Seitensprunges der Baronin, denn die Beziehung des Paares, so Zerline voller Verachtung weiter, sei völlig asexuell gewesen.
Und schnell wird klar, dass Zerline nicht nur eine scharfsinnige Beobachterin, sondern auch tief in das Leben ihrer Herrschaft verstrickt ist, indem sie eine Affäre mit dem Herrn von Juna, dem Liebhaber der Baronin, beginnt. Doch spürt sie, dass er sich ihrer fordernden Erotik entzieht und eifersüchtig durchsucht sie seine Korrespondenz mit der Baronin. »Seelenlärm« nennt sie die wortreichen Liebesbeteuerungen, die sie darin findet, und die nur die Vermeidung des Liebesaktes zum Ziel haben. Als Zerline versucht, von Juna stärker an sich zu binden, nimmt die Geschichte eine unerwartete Wendung und wandelt sich in einen veritablen Kriminalfall.
Der 1886 in Wien geborene Hermann Broch studierte nach einem Intermezzo in der Textilfabrik seines Vaters Mathematik, Physik und Philosophie an der Universität seiner Heimatstadt. In seinem Werk reflektiert er den Verlust von Sinnhaftigkeit und Werten in der Moderne und lässt dabei seine Erfahrungen mit Freuds Psychoanalyse ebenso einfließen, wie die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften. Sein dreiteiliger Roman »Die Schlafwandler« gilt als eines der Schlüsselwerke des frühen 20. Jahrhunderts. 1938 wurde er von der Gestapo inhaftiert und konnte danach mit der Unterstützung von Thomas Mann und Albert Einstein nach Amerika fliehen. »Die Erzählung der Magd Zerline« ist ein Kapitel aus seinem letzten, 1950 erschienen, Roman »Die Schuldlosen«. Broch starb 1951 in New Haven.
Regie
Wenzel Winzer
Dramaturgie
Matthias Heid
Mit Angelika Fornell
Sa, 26.12.2015
So, 17.01.2016
Mo, 25.01.2016
So, 31.01.2016