Eine Existenz im ständigen Zwischenstadium. Ihr altes Leben ist vorüber, ein neues kann sie nicht beginnen, solang über den Verbleib ihres Mannes nicht Klarheit herrscht. Vergeblich bemühen sich ihre Verehrer Eurimachos, Antinoos und Pisandros, sie zu einer frischen Liebe zu drängen. Vergeblich erträumt sich ihr Sohn Telemach einen Vater, den er selbst nie kennengelernt hat. Und doch haben sie alle sich im Provisorischen ein heimliches Idyll eingerichtet. Als Odysseus in Begleitung seiner Schutzgöttin Athene plötzlich doch heimkehrt, ist nichts wie früher. Sein Sohn erkennt ihn nicht, seine Kontrahenten pöbeln ihn als Penner an, selbst seine Frau hält ihn für einen Betrüger.
Endlich dem mörderischen Krieg entronnen, bleibt Odysseus erneut nur der Mord, um wirklich zu Hause anzukommen. Mit »Die Heimkehr des Odysseus« schuf Claudio Monteverdi eine der ersten Opern überhaupt. Komponiert 1640 für den Karneval von Venedig, führt sie selbst einen typischen Karnevals-Topos vor: die verkehrte Welt. Fremde und Domestiken gebären sich als Hausherren, der Hausherr wird als fremder Asozialer ausgeschlossen. »Draußen rast die Zeit«, heißt es im Libretto. Im Haus der Penelope dagegen ist die Zeit stehengeblieben. Eine Laborsituation, die nicht Bestand haben kann.
David Marton und sein Ensemble denken sie konsequent weiter. Das Provisorium ist zum Dauer zustand geworden. Doch verheißt es vielleicht auch eine ganz unerwartete Form von Glück? Und ist sein Ende für die Wartenden nicht die eigentliche Katastrophe? In einem Universum, in dem die Zeit ihren gewohnten Lauf eingestellt hat, verbinden sich auch alle Epochen zu einem Zwitter wesen jenseits der Geschichte. Der homerische Mythos überlagert sich mit dem ersten Auftauchen des Odysseus im Musiktheater bei Monteverdi – und seinen teils paradoxen und überraschenden modernen Inkarnationen. So wird die Bühne zu einer Art archäologischen Stätte, an der aber letzten Endes unsere eigene Gegenwart ausgegraben wird.
David Marton (*1975 in Budapest) war zunächst Bühnenmusiker und musikalischer Leiter zahlreicher Theaterproduktionen unter Christoph Marthaler und Frank Castorf. Seit 2004 führt er Regie, u.a. in den Sophiensaelen Berlin, am Burgtheater Wien, der Volksbühne Berlin, dem Königlichen Schauspielhaus in Kopenhagen und dem Thalia Theater in Ham burg. Für seine Inszenierungen von »Lulu« nach Alban Berg und Frank Wedekind am Staatstheater Hannover und »Don Giovanni. Keine Pause« in den Sophiensaelen wählte ihn die Zeitschrift Deutsche Bühne zum Opernregisseur des Jahres 2009.
Regie
David Marton
Musikalische Leitung
David Marton
Kalle Kalima
Michael Wilhelmi
Bühne und Kostüme
Alissa Kolbusch
Dramaturgie
Florian Borchmeyer
Erich Schneider
Mit
Thorbjörn Björnsson
Niels Bormann
Jule Böwe
Franz Hartwig
Theresa Kronthaler
Matthias Matschke
Ernst Stötzner
Gitarre
Kalle Kalima
Kai Brückner
Violine
Nurit Stark
Piano
Michael Wilhelmi
Termine
23.01.2011, 20.30 Uhr
24.01.2011, 20.00 Uhr
30.01.2011, 20.00 Uhr
31.01.2011, 20.00 Uhr
01.02.2011, 20.30 Uhr
02.02.2011, 20.30 Uhr
25.02.2011, 20.00 Uhr