Auch wenn Brecht sehr gut von den Einnahmen aus seiner „Dreigroschenoper“ leben konnte, war ihm der Triumphzug seines Werkes suspekt. Auf die Frage, was den Erfolg ausmachen würde, antwortete er in einen Interview: „Ich fürchte, all das, worauf es mir nicht ankam: die romantische Handlung, die Liebesgeschichte, das Musikalische …“ Worauf es ihm den angekommen sei, soll der Interviewer weitergefragt haben: „Auf die Gesellschaftskritik“, lautete die Antwort. Das Heilbronner Inszenierungsteam um Thomas Winter (Regie), Heiko Lippmann (Musikalische Leitung) und Ulv Jacobsen (Ausstattung) möchte verstärkt der gesellschaftskritischen Dimension des Werkes nachspüren. Brecht hat sie mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Zum Inhalt
„Die Dreigroschenoper“ spielt bei den Ärmsten der Armen in der Londoner Unterwelt. Hier hat der Bettlerkönig Peachum das Sagen. Er verkleidet arme Leute als Bettler, schickt sie auf die Straßen und lebt von ihren „Einnahmen“. Wer es wagt, auf eigene Rechnung zu arbeiten, bekommt es mit Peachums Schlägern zu tun. Sein schärfster Konkurrent ist Macheath, genannt Mackie Messer, ein Mann, der über Leichen geht und beste Beziehungen zur Polizei unterhält. Als Peachum hört, dass ausgerechnet Macheath seine Tochter Polly entführt und geheiratet hat, schäumt er vor Wut und will ihn an den Galgen bringen. Mrs. Peachum indes will ihre Tochter mit List von dem Mann abbringen. Sie weiß, dass Mackie Messer ein notorischer Frauenheld ist und rechnet damit, dass er trotz seiner jungen Ehe weiterhin bei den Huren von London sein Vergnügen suchen wird. Sie setzt bei den Prostituierten ein Kopfgeld auf ihn aus und richtig: Er wird verraten und soll gehenkt werden.
Mackie Messer ruft den Leuten, die zu seiner Hinrichtung erschienen sind, zu: „Wir kleinen bürgerlichen Handwerker, die wir mit dem biederen Brecheisen an den Nickelkassen der kleinen Ladenbesitzer arbeiten, werden von den Großunternehmern verschlungen, hinter denen die Banken stehen. Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?“ Angesichts dieser Worte kann man kaum glauben, dass die „Dreigroschenoper“ schon 90 Jahre alt ist, so aktuell erscheinen die sozialen und wirtschaftlichen Missstände und die gesellschaftlichen Mechanismen nach der unsere kapitalistische Gesellschaft funktioniert, noch heute.
Geniale Mischung aus geistigem und elementarem Theater
Elisabeth Hauptmann machte Bertolt Brecht 1927 auf John Gays „The Beggar‘s Opera“ (1728) aufmerksam und übersetzte sie. Brecht, damals gerade erst 30 Jahre alt, bearbeitete zusammen mit Kurt Weill den Stoff neu. Ernst Josef Aufricht, ein Theatermann mit Gespür fürs Außergewöhnliche, eröffnete seine Intendanz am Berliner Theater am Schiffbauerdamm mit der Uraufführung der „Dreigroschenoper“, die zum großen Triumph geriet und den Grundstein für Brechts Weltruhm legte. In seinen Memoiren begründete Aufricht den Erfolg mit der „geniale(n) Mischung aus geistigem und elementarem Theater. ‚Die Dreigroschenoper‘ besaß alle Ingredienzien eines bedeutenden Bühnenwerks: sie war aktuell und doch zeitlos, ein Volksstück und dabei doch intellektuell, dramatisch und melodramatisch, tragisch und komisch. Und die Musik, die konnte man einfach nicht vergessen.“
Inszenierung: Thomas Winter
Musikalische Leitung: Heiko Lippmann
Ausstattung: Ulv Jacobsen
Choreografie: Barbara Buck
Dramaturgie: Dr. Mirjam Meuser
Es spielen:
Macheath, genannt Mackie Messer: Oliver Firit
Jonathan Jeremiah Peachum: Stefan Eichberg
Celia Peachum, seine Frau: Angelika Bartsch
Polly Paechum, seine Tochter: Stella Goritzki
Brown, oberster Polizeichef von London: Tobias D. Weber
Spelunken-Jenny: Judith Lilly Raab
Lucy, Browns Tochter: Malin Kemper
Filch/Pastor Kimball: Frank Lienert-Mondanelli
Platte/Bettler/Huren/Konstabler: Anjo Czernich, Lucas Janson, Gabriel Kemmether, Malin Kemper, Mirjam Kuhn, Frank Lienert-Mondanelli
Klavier/Harmonium/Celesta: Heiko Lippmann/Marcus Herzer
Altsaxofon/Flöte/Kleine Flöte/Klarinette/Sopransaxofon/Baritonsaxofon: Johannes Reinhuber/Dirk Rumig
Tenorsaxofon/Klarinette/Fagott/Sopransaxofon: Michael Toursel
Trompete 1: Igor Rudytskyy
Posaune/Kontrabass: Tobias Scheibeck
Schlagzeug/Trompete 2: Christoph Sabadinowitsch
Bandoneon: Karin Eckstein/Roland Senft
Gitarren/Cello: Johannes Weik/Philipp Tress
Das Bild zeigt Bertolt Brecht und Kurt Weill