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DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE, Komödie von Eugène Labiche, Luzerner TheaterDIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE, Komödie von Eugène Labiche, Luzerner TheaterDIE AFFÄRE RUE DE...

DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE, Komödie von Eugène Labiche, Luzerner Theater

PREMIERE: Mittwoch, 28. Januar 2015, 19.30 Uhr. -----

Suff, Filmriss, schwerer Kater! Nach einem feucht-fröhlichen Klassentreffen wacht Lenglumé mit dumpfem Schädel ohne jegliche Erinnerung auf. «Was nach dem Salat passiert ist ... da verschwimmt mir alles komplett!»

Wie um alles in der Welt ist sein alter Schulkamerad Mistingue neben ihm im Bett gelandet? Warum finden sich Kohlestücke in ihren Hosentaschen? Beim Frühsück liest Lenglumés Gattin Norine die Neuigkeiten des Tages aus der Zeitung vor. Eine Kohlenträgerin ist in der Rue de Lourcine erschlagen worden, nach den betrunkenen Tätern wird bereits gefahndet. Jetzt gilt es zu handeln. Beweise müssen vernichtet etwaige Belastungszeugen bestochen und notfalls aus dem Weg geräumt werden. Selbst vor einem Mord werden die beiden braven Bürger nicht zurückschrecken. Dass die Zeitung mit der vermeintlich brandaktuellen Nachricht zwanzig Jahre alt is,t weiss nur der Diener Justin …

 

Die Übersetzung von Elfriede Jelinek greift deutlich in unsere Gegenwart und setzt dem meist üblichen «Tür auf Tür zu» dieses Genres die Möglichkeit einer deutlichen Zeitverzögerung entgegen. Dies entspricht durchaus der Grundsituation – ein schwerer Kater nach heftig durchzechter Nacht. Man meint, die Türen seien hin und wieder versperrt oder gleich ganz und gar demontiert. Die Rhythmusveränderungen die sich daraus ergeben verraten meist mehr, als die Sprache der noch nicht nüchternen Klassenkameraden Lenglumé und Mistingue es vermag. Dies wird in dieser Luzerner Inszenierung durch den Soundtrack des Schweizer Musikers Sandro Corbat unterstützt. Während Lenglumé und Mistingue mit dem Grossteil ihrer verbliebenen Energie versuchen, die Fassade des bürgerlichen Anstandes zu wahren, verlieren sie Schlag um Schlag ihren Lebensrhythmus. Ihre Versuche zur Vertuschung, ihre diffusen Schuldgefühle drohen ihnen ihren Ruf, ihren gesellschaftlichen Status vollständig zu zerstören.

 

Eugène Labiche (1815 – 1888), Pariser Fabrikantensohn urist und zeitweilig Landbürgermeister, Autor unzähliger Komödien, Possen und Vaudevilles, lotet mit unbestechlichem Blick die Untiefen hinter den Fassaden desBürgertums aus. Über dem Komödienhimmel ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Wer weiss schon, zu welchen Taten man fähig ist, wenn einmal die Vernunft versagt?

 

Seine Arbeitsmethode beschrieb Labiche auf einer Tagung einmal folgendermassen: «Ich, für meinen Teil, gehe so vor: Wenn ich keine Idee habe, kaue ich an meinen Nägeln und rufe die Vorsehung um Eingebung an. Wenn ich eine Idee habe, mache ich es ebenso, jedoch weit weniger innig, weil ich dann glaube, ohne sie auskommen zu können. Das ist sehr menschlich, aber sehr undankbar. Ich habe also einen Einfall, oder meine, einen zu haben. Ich nehme ein weisses Blatt Papier, Kartonpapier, auf einem anderen habe ich keine Inspiration, und schreibe auf die erste Seite: ENTWURF. Und dann be-ginnen die Schwierigkeiten. Ich behandle im Entwurf den Ablauf des ganzen Stückes Szene für Szene von Anfang bis Ende. Solange man allerdings den Schluss seines Stückes nicht gefunden hat, bringt einem weder Anfang noch Mittelteil etwas. Diese Arbeit ist klarerweise die mühsamste, die Schöpfung, die Ent-bindung. Ist mein Entwurf fertig, gehe ich ihn durch und hinterfrage jede Szene nach ihrem Zweck, ob sie einen Charakter, eine Situation entgleiten lässt oder weiter entwickelt, ob sie schlussendlich die Handlung weitertreibt. Ein Stück ist ein Tier mit tausend Füssen, das immer in Bewegung gehalten werden muss. Wird es langsamer, gähnt das Publikum, bleibt es stehen, pfeift es.»

 

Die abgründige Komödie zählt mit ihren gesungenen Couplets zu den erfolgreichsten und meistgespielten Werken von Eugène Labiche. Das Luzerner Theater zeigt sie ab 28. Januar in einer Übersetzung der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, inszeniert von Schauspieldirektor Andreas Herrmann und mit Soundtracks des Schweizer Musikers Sandro Corbat.

 

Deutsch von Elfriede Jelinek

 

Andreas Herrmann (Inszenierung),

Max Wehberg (Bühne),

Catherine Voeffray (Kostüme),

Sandro Corbat (Musik),

David Hedinger (Licht),

Ulf Frötzschner (Dramaturgie)

 

BESETZUNG

Christian Baus, Jörg Dathe, Hans-Caspar Gattiker, Bettina Riebesel, Samuel Zumbühl

PRODUKTIONSTEAM

 

Alle Vorstellungen (jeweils 19.30 Uhr):

28.1. | 30.1. | 1.2. (13.30 Uhr) | 5.2. | 6.2. | 14.2. | 15.2. (13.30 Uhr) | 26.2. | 28.2. | 7.3. | 8.3. | 11.3.2015

 

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