Ihr Weg führt sie vom Kinderzimmer in das Einkaufszentrum, wo sie ihrem Opfer begegnen und von dort bis zu den Bahngleisen, auf denen sie den leblosen Körper des Kindes schließlich liegen lassen. Bald erzählen sie sich dabei wilde Geschichten, bald demaskieren sie sich gegenseitig, ganz selten gönnt einer dem anderen einen Blick in seine Seele. Klaas Tindemans’ Theaterstück „Bulger" basiert auf einem authentischen Verbrechen. Fünfzehn Jahre ist es her, dass zwei zehnjährige Jungen in Liverpool den zweieinhalbjährigen James Bulger aus einem Einkaufszentrum entführt und umgebracht haben. Sie wurden wie Erwachsene vor Gericht gestellt und verurteilt. Tindemans rekonstruiert jedoch weder den Ablauf des Mordes, noch der Rechtsprechung, sondern lässt den Zuschauer die Welt durch die Augen der drei Jugendlichen betrachten. Eine erschütternde Geschichte, gerade weil es nicht um Monster geht, sondern um Kinder, die wir selber sein oder haben könnten.
Klaas Tindemans wurde 1959 in Antwerpen geboren. Er ist studierter Rechtsphilosoph und war Forschungsassistent am Zentrum für Studien der Rechtsgrundlagen der Königlichen Universität Leuven. 1996 promovierte er über „Recht und Tragödie. Die Szene des Gesetzes in der antiken Polis“. Heute arbeitet er als Dramaturg für das Antwerpener Schauspielkollektiv „De Roovers“ und für das Jugendtheater „Bronks“ in Brüssel, für das er „Bulger“ 2006 schrieb und inszenierte. Außerdem unterrichtet er am RITS in Brüssel sowie an der Universität in Antwerpen den postgraduierten Studiengang in Theaterwissenschaft. Er hat Publikationen über Rechtstheorie und über das Jugendtheater in Brüssel herausgegeben und Euripides’ „Medea“ übersetzt.
„Bulger“ ist sein erstes eigenes Theaterstück. Klaas Tindemans lebt in Brüssel.
Aus dem Flämischen von Uwe Dethier
Ausgezeichnet mit dem Förderpreis für neue Dramatik des tt Stückemarktes 2008, gestiftet von der Bundeszentrale für politische Bildung
Es spielen: Hanna Eichel (Justine), Johann Jürgens (Ramses), Julischka Eichel (Shanya)
Regie: Nora Schlocker,
Bühne: Steffi Wurster,
Kostüme: Marie Roth
Nora Schlocker wurde 1983 in Rum (Österreich) geboren. Absolventin des Regiestudienganges der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch" Berlin. Nach dem Abitur studierte sie zunächst an der Schauspielschule des Schauspielforums Tirol und arbeitete anschließend als Regieassistentin. 2003 inszenierte sie "Herzzeitlosen" nach Sarah Kane im SINNE in Innsbruck. Es folgten die Filmproduktionen "Liebesmüh" und "Zweikampf". In Berlin inszenierte Nora Schlocker 2005 "hero/she/moi" nach Marguerite Duras im 3. Stock der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz sowie "Götterdämmerung" nach Richard Wagner im bat. Im Studio des Maxim Gorki Theaters inszenierte sie in der Spielzeit 2006/2007 die Uraufführung von „herr tod lädt nicht ein aber wir kommen trotzdem“ von Nora Mansmann. Aktuell ist ihre Uraufführungsinszenierung von „plus null komma fünf windstill“ von Maria Kilpi im Gorki Studio zu sehen.