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Deutsches Schauspielhaus in Hamburg: "Die Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht, Musik von Kurt Weill,

Premiere am 24. April 2010, 20 Uhr // Großes Haus

 

Bei der Uraufführung 1928 wegen seiner ästhetischen und sozialkritischen Radikalität hoch skandalisiert, wurden Stück und Autor(en) danach zu Opfern ihres Erfolges – eines der größten in den zwanziger Jahren, weltweit bis heute:

Aus den Songs wurden Schlager, Evergreens, und noch die schärfsten Sätze des Stückes endeten, als Zitate mumifiziert, im Poesiealbum der Sozialkritik. Kurz: Das Stück hatte die durchschlagende Wirkungslosigkeit eines Klassikers, die Max Frisch einstmals nur für die Autoren des 18. und 19. Jahrhunderts konstatierte. Und die Verhältnisse? Sind schon fast wieder so wie 1928 – oder 1929? Aus Bankern werden Bankster, nur eine Bad Bank ist eine gute Bank, und nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm – das ist so zynisch wie wahr, damals wie heute. Geschrieben 1928, fußend auf einer Vorlage aus dem 18. Jahrhundert, verbinden sich die Zynismen zweier Epochen zur ebenso unterhaltsamen wie aggressiven Antwort auf eine zeitgenössische Krise.

 

Im Gangster Mackie Messer verschmilzt der romantische Typus des Räubers mit dem nicht weniger romantischen Typus des coolen Kinohelden, der zu Brechts Zeiten gerade dabei war, sich zu entwickeln. Sein Gegenspieler, der Bettlerkönig Peachum, versucht, mit den Waffen der Bibel und mit neuzeitigen Techniken der Rationalisierung des Bettelns das Mitleid hervorzukitzeln. Zwischen beiden gibt es da noch Polly Peachum, der Sentimentalität und Sex keinesfalls den Verstand rauben – im Gegenteil. Vervollständigt wird dieses Parallelogramm der Kräfte durch den Polizeipräsidenten »Tiger-Brown«, der dem größten Verbrecher der Stadt London durch die zarten Bande der Korruption verbunden, also ergeben ist, samt seiner Tochter Lucy. Dass dieses Werk so erfolgreich war und ist, ist vielleicht seine bitterste Pointe – denn die gesellschaftliche Disposition seiner Entstehungszeit ist auch – wieder – die heutige.

 

Heute wie damals wird gesellschaftliche Armut produziert und zynisch bis gleichgültig toleriert. Die herrschende Ungerechtigkeit lässt sich gar nicht sarkastischer kommentieren als durch ein parodistisches Opernfinale. Eines hat sich heute allerdings verändert: Der Satz »Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank« hat in Zeiten, da Banker sich mit Unschuldsmienen ihre Miss-Handlungen auch weiterhin durch Bonuszahlungen vergüten lassen, während die von ihnen angerichteten Verluste vom Steuerzahler beglichen werden müssen und ganze Volkswirtschaften an den Rand des Abgrundes schlittern, einen ganz verborgenen Hintersinn. Die Schärfe des Brechtschen Textes und die Durchschlagskraft der Weillschen Musik machen aus der Dreigroschenoper ein Stück zur Lage. Wieder mal.

 

Regie Jarg Pataki

Musikalische Leitung Markus Voigt

Bühne Anna Börnsen

Choreofraphie Rica Blunck

Kostüme Heide Kastler

Dramaturgie Michael Propfe

Licht Annette Ter Meulen

 

Mit Achim Buch, Katja Danowski, Tim Grobe, Janning Kahnert, Hedi Kriegeskotte, Hanns Jörg Krumpholz, Martin Pawlowsky, Katharina Schmidt, Tristan Seith, Jürgen Uter

 

Musiker Peer Baierlein, Christian Gerber, Edgar Herzog, Tim Rodig, Fabian Schubert, Henning Stoll, Matthias Trippner

 

Weitere Termine:191

26.04.2010, 20:00 Uhr

01.05.2010, 20:00 Uhr

09.05.2010, 20:00 Uhr

19.05.2010, 20:00 Uhr

28.05.2010, 20:00 Uhr

04.06.2010, 20:00 Uhr

09.06.2010, 20:00 Uhr

12.06.2010, 20:00 Uhr

 

Weitere Vorstellungen am 26. April, 1. und 9. Mai, 20 Uhr

 

Eintrittspreis: 8 € - 40 € (Premiere 11 € - 55 €)

Karten: Telefon 0 40.24 87 13 (Mo.-Sa., 10-19 Uhr) oder online unter www.schauspielhaus.de

 

 

 

 

 

 

 

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