Unter Verwendung aller modernen Kompositionsverfahren verbindet Shchedrin traditionelle und neue Formen. Seine Begeisterung für die russische Folklore und Kunstmusik, Dichtung und Literatur prägt sein Werk und macht ihn zu einem originär russischen Komponisten.
Rodion Shchedrin wurde am 16. Dezember 1932 als Sohn eines Komponisten und Musikleh-rers in Moskau geboren. Er besuchte die Chorschule und studierte anschließend am Moskauer Konservatorium bei Jurij Schaporin (Komposition) und Jakow Flier (Klavier); 1955 schloss er seine Studien mit Auszeichnung ab. Trotz seiner Fähigkeiten als Konzertpianist entschied sich Shchedrin früh für eine Karriere als Komponist: Mit Anfang 20 schrieb er sei-ne ersten ambitionierten Werke. 1958 heiratete er die Primaballerina Maya Plisetskaya. Der erste große Erfolg als Komponist stellte sich 1967 mit der Uraufführung des Balletts „Carmen-Suite“ am Moskauer Bolschoi-Theater ein. Von 1964 bis 1969 war er Professor für Komposition am Moskauer Konservatorium. 1968 weigerte sich Shchedrin einen offenen Brief zu unterzeichnen, der den Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts in die dama-lige Tschechoslowakei befürworten sollte. Über ein Jahrzehnt war er Vorsitzender des Komponistenverbandes der Russischen Föderation als Nachfolger Dmitri Schostakowitschs und auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin. 1982 besuchte er erstmals den Münchener Klaviersommer. Mit dem Ende des diktatorischen Regimes in der Sowjetunion konnte Shchedrin, der nie Mitglied der KP war, endlich intensiv am internationalen Musikleben teilnehmen. Seit 1992 lebt der Komponist abwechselnd in München und Moskau.
Shchedrin ist es gelungen, unter Verwendung aller modernen Kompositionsverfahren – ein-schließlich aleatorischer und serieller Techniken – traditionelle und neue Formen miteinander zu verbinden. Seine Begeisterung für die russische Folklore und Kunstmusik, Dichtung und Literatur prägt sein Werk und macht ihn zu einem originär russischen Komponisten. Dies gilt insbesondere für das dritte und fünfte Konzert für Orchester, die Old Russian Circus Music (1989) und die Four Russian Songs (1998). Andere Instrumentalwerke sind Shchedrins Kenntnissen als Pianist geschuldet: die sechs Klavierkonzerte oder Klavier-Solostücke wie die Olli Mustonen gewidmeten Questions (Elf Stücke für Klavier) von 2003. Einige dieser Werke wurden von Shchedrin selbst als Solist zur Uraufführung gebracht. Besonders in Kammermusikwerken zeigt er den kunstvollen Einsatz parodistischer Techniken.
Mit seiner Oper „Die toten Seelen“ (nach Gogol, 1976) und den Balletten „Anna Karenina“ (nach Tolstoi, Uraufführung 1972), „Die Möwe“ (1979) und „Dame mit Hündchen“ (beide nach Tschechow, 1985) brachte Shchedrin Klassiker der russischen Literatur auf die Musiktheaterbühne des Moskauer Bolschoi-Theaters. Die Oper „Lolita“ setzt ebenfalls einen russischen Beitrag zur Weltliteratur in Szene: den gleichnamigen Skandalroman von Vladimir Nabokov. Das Libretto zu der 1994 in Stockholm uraufgeführten Oper stammt aus der eige-nen Werkstatt des Komponisten.
Rodion Shchedrin wurde vielfach mit Preisen und Auszeichnungen geehrt. 1983 wurde er Ehrenmitglied der Akademie der Schönen Künste der DDR, zwei Jahre später Ehrenmitglied des International Music Council sowie 1989 Mitglied der Akademie der Künste Berlin. 1992 verlieh ihm Präsident Boris Jelzin Russlands Staatspreis für sein Chorwerk Der versiegelte Engel. Ein Jahr später erhielt Shchedrin den Dmitri Schostakowitsch Preis, 1995 den Crystal Award des World Economic Forums Davos. 2002 wurde er zum „Composer of the year“ des Pittsburgh Symphony Orchestra ernannt. Im selben Jahr erhielt er den Russischen Staatsor-den. 2005 wurde er Ehrenprofessor am St. Petersburger Konservatorium, 2008 am Zentra-len Konservatorium Peking. „Für Verdienste um das Vaterland“ wurde Rodion Shchedrin 2007 mit dem russischen Staatsorden 2. Klasse ausgezeichnet. Zuletzt wurde er in der Ka-tegorie „Beste zeitgenössische klassische Komposition“ für die Oper „Der verzauberte Pilger“ für den „Grammy 2011“ nominiert.
Wie in den vergangenen Jahren eröffnet das Hessische Staatstheater Wiesbaden die Internationalen Maifestspiele mit einer Literaturoper: „Lolita“ von Rodion Shchedrin, die erstmalig in Deutschland zur Aufführung kommt. Es ist erst die zweite Aufführung des Werkes überhaupt (Uraufführung 1994 an der Königlichen Oper Stockholm) sowie die deutschsprachige Erstaufführung.
Konstanze Lauterbach, die 2009 die Maifestspiele mit „Lulu“ eröffnete, zeichnet für Inszenierung und Kostüme verantwortlich.
Libretto vom Komponisten nach dem gleichnamigen Roman von Vladimir Nabokov
Musikalische Leitung Marc Piollet | Inszenierung und Kostüme Konstanze Lauterbach | Bühne Andreas Jander
Mit: Emma Pearson (Lolita), Sébastien Soulès (Humbert Humbert), Thomas Piffka (Clare Quilty), Ute Döring (Charlotte Haze), Merit Ostermann (Mrs. Chatfield / Musiklehrerin), Hye-Soo Sonn (Ihr Ehemann), Stephanie Gooch (Nachbarin im Osten), John Holyoke (Küster), Axel Wagner (Roter Pullover/Portier), Alma De Lon (Dienstmädchen), Inga Jäger, Simone Brähler (Zwei Mädchen), Inga Jäger (Mrs. Pratt), Ayako Daniel (Junge in der Kir-che)
Orchester, Herren des Opern- und Extrachores, Jugendchor und Statisterie des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden
2. Vorstellung: Montag, den 16. Mai, 19.30 Uhr, Großes Haus