Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
„Der Revisor“ von Nikolai Gogol im Residenztheater München„Der Revisor“ von Nikolai Gogol im Residenztheater München„Der Revisor“ von...

„Der Revisor“ von Nikolai Gogol im Residenztheater München

22. Dezember 2012, 19.00 Uhr, Residenztheater. -----

Eine vom Rest der Welt vergessene Stadt, in der die Uhren still stehen, der Schmutz die Straßen füllt, die Bewohner allesamt in einem Sumpf aus Korruption, Veruntreuung, Schieberei und Amoral versinken und doch nicht untergehen.

Es hat sich alles so schön eingeschaukelt. In den Krankenhäusern steht der Dreck in den Fluren, und die Kranken sterben wie die Fliegen. Willkürliche Gerichtsurteile fällt der dauerbesoffene Stenograph, während der Richter auf die Jagd geht. In den Schulen unterrichten Wahnsinnige, die Kirchen stehen verwaist, in den Kneipen und Spielhöllen verschleudern die Honoratioren der Stadt die Gelder des Staates. So könnte es ewig weitergehen, bis die Stadt pleite ist und Gottes Zorn die Sintflut über diesen Landstrich lenkt. Oder der Staat den Verbleib seiner Subventionen kontrollieren lässt.

 

Ein Revisor wird angekündigt - und prompt wird Chlestakow, ein Allerweltsbetrüger auf der Durchreise, der seit zwei Wochen im Gasthof die Zeche prellt und jeden Moment seinen Rauswurf erwartet, für ebenjenen Revisor gehalten. Aufregung auf beiden Seiten! Doch schnell erweist sich der vermeintliche Kontrolleur als Gleichgesinnter und die Furcht vor dem Zusammenbruch des Systems aus Lüge, Betrug und Habgier als total unbegründet ...

 

Im hochbrisanten Konfliktfeld zwischen „Gemeinwohl“ und „Eigeninteresse“ angesiedelt, ist Gogols

berühmte Verwechslungskomödie von 1836 zum einen ein boshafter Kommentar zu klammen Staaten,

schamlosen Bundespräsidenten und unverdrossenen Finanzspekulationen unserer Tage. Darüber

hinaus dekliniert „Der Revisor“ alle Todsünden begeistert durch, legt Fährten zu zeitlosen Fragen

identitätssuchender Subjekte und erweist ganz nebenbei dem genetischen Zusammenhang von Literatur und Lüge geistreiche Referenz.

 

Herbert Fritsch (*1951)

kehrt mit seiner Inszenierung des „Revisors“ in die Stadt zurück, in der er einst als Schauspieler ausgebildet wurde. Er hat an vielen großen Häusern gespielt, doch kein Theater hat er so geprägt - und kein Theater ihn - wie die Berliner Volksbühne und der Intendant und Regisseur Frank Castorf. Fritschs intermediales Kunstprojekt „hamlet_X“ von 2000 hatte noch eine gut sortierte Fangemeinde,

seine Theaterregiearbeiten seit 2007 sorgen mittlerweile landesweit für Hysterie.

 

Revisor nach NIKOLAI GOGOL

in einer Fassung von SABRINA ZWACH

Regie + Bühne HERBERT FRITSCH

Kostüme VICTORIA BEHR

 

mit

Sebastian Blomberg Chlestakow

Stefan Konarske Ossip

Guntram Brattia Bürgermeister

Barbara Melzl Anna, seine Frau

Britta Hammelstein Maria, deren Tochter

Hanna Scheibe Mascha, deren Hausangestellte / Kellnerin im Gasthaus

Gunther Eckes Hospitalverwalter

Jörg Lichtenstein Schulrat

Miguel Abrantes Ostrowski Richter Ljapkin-Tjapkin

Sierk Radzei Polizeichef Korruptkin

Michele Cuciuffo Kreisarzt Dr. Hübner

Paul Wolff-Plottegg Postmeister

Robert Niemann Bobtschinskij, Gutsbesitzer

Aurel Manthei Dobtschinskij, Gutsbesitzer

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 13 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑