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"Das Erdbeben in Chili" nach einer Novelle von Heinrich von Kleist im Mainfranken Theater Würzburg

Premiere: 22. Oktober 2011 | 20.00 Uhr | Kammerspiele. -----

St. Jago, 1947: Der junge Hauslehrer Jeronimo Rugera ist im Begriff, sich in seinem Gefängnis zu erhängen. Seine Geliebte, Donna Josephe, soll für das ‚Verbrechen’ ein uneheliches Kind zur Welt gebracht zu haben, hingerichtet werden.

Da erschüttert ein Erdbeben die Stadt, das Elend unzähliger Menschen wird zum Glücksfall für die beiden Liebenden, die sich wie durch ein Wunder außerhalb der Stadtmauern wiederfinden. Es scheint, dass die Erschütterung der Erde auch die gesellschaftlichen Zwänge, mit denen das Paar sich konfrontiert sah, eliminiert hat. Doch es dauert nicht lange, ehe die fanatische Suche nach den Sündenböcken für die grauenhafte Katastrophe beginnt...

 

Wenn Naturkatastrophen über die Zivilisation hereinbrechen, konfrontiert dies die Überlebenden und die beobachtende Welt immer wieder mit der Fragilität der Gesellschaft und des eigenen Lebens. So wird häufig die Frage gestellt: Was haben wir getan, dass Gott uns derart straft?

Dass die Theorie der göttlichen Strafe selbst im 21. Jahrhundert noch relevant ist, zeigte sich zum Beispiel in einigen sehr medienwirksamen Auftritten verschiedener Privatpersonen und religiöser Funktionäre nach dem Hurrikan Katrina und den Erdbeben in Haiti und Japan.

Auch bei Heinrich von Kleists Novelle „Das Erdbeben in Chili“ sind es diese Mechanismen von Selbstreflexion und Schuldzuweisung, welche die Erzählung auch noch für eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Thema auszeichnen.

 

Dieter Nelles Inszenierung in den Kammerspielen beschäftigt sich mit der Suche nach der Sprache, in der man über solche Katastrophen berichten kann und untersucht die ungeheure Forderung Heinrich von Kleists, inmitten von menschlicher Grausamkeit und Zerstörung einen Versuch der anderen Menschlichkeit zu wagen.

 

Regie: Dieter Nelle

Bühnenbild: Birgit Remuss

Kostüme: Kristopher Kempf

Musikalische Leitung: Kai Christian Moritz

Dramaturgie: Mona Becker

 

Mit: Rainer Appel, Maria Brendel, Kai Christian Moritz, Christina Theresa Motsch, Klaus Müller-Beck, Britta Scheerer a.G.

 

Dieter Nelle wurde 1958 in Neumünster geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Von 1980 – 1987 leitete er eine freie Theatergruppe in Mönchengladbach und Düsseldorf. Von 1988 bis 1992 war Nelle Dramaturg und Regisseur in Ingolstadt, anschließend für eine Spielzeit in Münster, danach freier Regisseur und Schauspiellehrer in München.

1996 bis 2000 war er Dramaturg und Regisseur am Staatstheater Stuttgart. Ab 1997 war er bis 2001 gleichzeitig Lehrbeauftragter an der Akademie der schönen Künste, Stuttgart, bei Professor Jürgen Rose, Bühnenbild.

 

Seit 2000 arbeitet Nelle als freier Regisseur und Dramaturg in München, Bozen (I), Zug (CH) und Stuttgart. In Stuttgart gründete er zusammen mit der Bühnenbildnerin Monika Reichert und dem Schauspieler Christof Küster 2005 die Gruppe ZOOM+ Stuttgart. Es entstanden drei Inszenierungen: Martin Heckmanns „Finnisch“, das Projekt „LESSING terror PHILOTAS“, und im Herbst 2007 „Vor dem Paradies“ nach einer Filmnovelle von Krzysztof Kieslowski.

 

Seit 2008 ist Christof Küster künstlerischer Leiter des Studiotheaters Stuttgart. Hier führte Nelle im April 2009 bei Ewald Palemtshofers „wohnen. unter glas“ Regie. Im Juli folgt George F. Walkers „Das Ende der Zivilisation“. Im Mai 2010 entstand „Wir im Finale“ von Marc Becker, im Juni 2010 „Genannt Gospodin“ von Philipp Löhle.

 

Seit 2002 besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Theater HALLE 7 in München als Regisseur und Dramaturg. Seine erste Arbeit als Regisseur im Theater Halle 7, München, war 2004 Tim Etchells Quizoola!. Danach entstanden Arbeiten, in denen die Erfahrungen der Ensemblemitglieder in Geschichten gesammelt und dramatisch verarbeitet wurden: „Lieben lernen – Liebesgeschichten und Karaoke-Songs und Paradies gesucht“. Für das Festival 'Stück für Stück zum Glück' inszenierte er 2006 die Monologe Crash von Albert Ostermaier und „Hallo, Sie!“ von John von Düffel und 2007 „Sofort Heiraten“ von Beate Fassnacht sowie „Die Duftsammlerin“ von Sabine Zieser. 2008 folgten Rebekka Kricheldorfers „Hotel Disparu“ und von Xavier Durringer „Über Männer“. 2009 Ivana Sajko “ROSE IS A ROSE IS A ROSE IS A ROSE (DSE)”, 2010 “Juli” von Ivan Wyrypajew und 2011 “Die Geschichte von St. Magda” von Johanna Kaptein.

 

Am Forum Theater Stuttgart inszenierte er 2008 „Tauchtiefen“ von Thomas Steinke. 2010 „Ohne Gesicht“ von Irene Ibsen-Bille und Shakespeares Richard II. als Solo. 2011 Chechovs Der Bär und „Der Heiratsantrag“ und „Biografie2 von Max Frisch. Für die Theatergruppe „Lokstoff – Theater im öffentlichen Raum“ brachte er 2011 im Königsbau Stuttgart „Carta Canta“ von Raffaello Baldini zur deutschsprachigen Erstaufführung.

 

2009 gründete er zusammen mit Britta Scheerer die Gruppe „zwischenraum 48°“. In Kooperation mit dem Stadttheater Landsberg entstanden 2009 Neil Labutes „Helter Skelter / Ich mag dich wirklich“ und in Kooperation mit dem Studio Theater Stuttgart 2011 „Eine Sommernacht“ von David Greig und Gordon McIntyre.

 

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