Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Das Ende vom Geld – Ein Todes-Experiment von Urs Widmer, Städtische Bühnen MünsterDas Ende vom Geld – Ein Todes-Experiment von Urs Widmer, Städtische Bühnen...Das Ende vom Geld – Ein...

Das Ende vom Geld – Ein Todes-Experiment von Urs Widmer, Städtische Bühnen Münster

Premiere: 13. Juni 2012, 19.30 h, Kleines Haus. -----

In seinem neuesten Drama schickt Urs Widmer die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums in einen apokalyptischen Weltuntergang, der von den Banken ausgeht und alles andere mit sich nimmt.

 

Am Ende des WEF in einem Luxushotel in den Schweizer Bergen scheint die Welt zunächst wieder einmal gerettet. Die Verhandlungen sind abgeschlossen, die Teilnehmer – Banker, Unternehmer, Minister, Professor und Bischof, die NGO-Delegierte, die Geliebte des Bankers und ein Chinese – wollen das Hotel verlassen und abreisen. Ein letztes Glas Champagner soll den Erfolg des Gipfels krönen.

 

Doch plötzlich ist der Akku leer, das Mobilfunknetz zusammengebrochen und ein Schneesturm schneidet Davos von der Welt ab. Die Figuren, die hier aufeinander treffen, sind weniger Menschen als Marionetten der Rollen, die sie im Leben spielen. Der Banker beutet skrupellos die Zuneigung seiner Geliebten „Mausi“ aus, der Unternehmer gründet immer neue Firmen, der Politiker bietet nur den wirklich Mächtigen die Freundschaft an, der Bischof liefert salbungsvolle Worte und Sinnsprüche zur Herkunft des Bösen, der Chinese ist so undurchschaubar wie Chinesen nun mal sind, und die Delegierte einer Nichtregierungs-Organisation gibt mit ihren kritischen Bemerkungen dem Konzert der Weltenlenker erst den rechten Reiz.

 

Wer ist der Agilste auf dem Markt, wer pokert am höchsten, wer am profitabelsten? Gegenseitig überbieten sie sich die Eingeschneiten mit Gewissenlosigkeit und geraten immer tiefer in einen Strudel aus Ratschlägen, Rechtfertigungen und Selbstbezichtigungen: Der Banker zockt mit wertlosen Papieren Rentner ab, der Unternehmer hinterzieht Steuern, unter dem Gewand des katholischen Würdenträgers transportiert der Bischof Schwarzgeld nach Liechtenstein, und der Politiker nimmt die Frage nach den Menschenrechten nicht zu ernst.

 

So bleibt in der tristen Hotellobby erst die Zeit stehen und mit der nun folgenden Apokalypse endet die Herrschaft des Geldes. Diesmal spannt sich kein Rettungsschirm und der Aufprall wird hart. Die Eingeschlossenen sind der Wirklichkeit abhanden gekommen, und so führt für sie kein Weg mehr nach draußen. Nur der Hoteldirektor schickt – wie Noah im Buch Genesis – eine Taube auf den Weg, um den Weltuntergang zu verhindern. Ansteigender Hunger führt zum gemeinschaftlichen Kontrollverlust. Die Geliebte des Bankers wird zum Opfer der Schicksalsgemeinschaft. Doch der Koch schlachtet sie nicht, da er das Weltende kommen sieht. Der Bischof nutzt die vermeintlich letzte Gelegenheit, seine verdrängte Lust auszuleben, doch bei der Vergewaltigung der Geliebten muss ihm der Wirtschaftsprofessor helfen.

 

Auf dem Höhepunkt der apokalyptischen Vision schickt Widmer die Figuren zurück in ihre Wirklichkeit. Der jüngste Tag ist noch einmal aufgeschoben, auf den Banker wartet der Rolls Royce, auf die Globalisierungskritikerin der Zug, und der Bischof wird am Abend in Passau die Wandlung vollziehen. Im Namen des Schweizer Dramatikers verabschiedet der Hoteldirektor die Gäste: Bis zum nächsten Mal!

 

Regie: Kirsten Uttendorf

Bühne und Kostüme: Karin Fritz

Dramaturgie: Justus Wenke

 

Mitwirkende:

Ilja Harjes (Der Banker), Bernhard Glose (Der Unternehmer), Matthias Caspari (Der Minister), Sebastian Gerasch (Der Professor), Frank-Peter Dettmann (Der Bischof), Carolin M. Wirth (Die NGO-Delegierte), Kathrin-Marén Enders (Die Geliebte des Bankers), Maximilian Strestik (Der Chinese), Johann Schibli (Der Hoteldirektor), Wolf-Dieter Kabler ( Der Koch)

 

Weitere Vorstellungen im Juni/ Juli:

Freitag, 15. Juni, 19.30 h

Dienstag, 19. Juni, 19.30 h

Sonntag, 24. Juni, 18.00 h

Dienstag, 03. Juli, 19.30 h

Sonntag, 08. Juli, 18.00 h

 

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 16 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

GLUT UND FEUER -- Jubiläumskonzert 40 Jahre Kammersinfonie im Kronenzentrum BIETIGHEIM-BISSINGEN

1984 wurde dieser für die Region so bedeutende Klangkörper von Peter Wallinger gegründet. Unter der inspirierenden Leitung von Peter Wallinger (der unter anderem bei Sergiu Celibidache studierte)…

Von: ALEXANDER WALTHER

EINE FAST HYPNOTISCHE STIMMUNG -- Gastspiel "Familie" von Milo Rau mit dem NT Gent im Schauspielhaus STUTTGART

Dieses Stück erzielte bei Kritikern zum einen große Zustimmung, zum anderen schroffe Ablehnung. Vor allem die nihilistischen Tendenzen wurden getadelt. Der Schweizer Milo Rau hat hier das beklemmende…

Von: ALEXANDER WALTHER

MIT LEIDENSCHAFTLICHEM ÜBERSCHWANG -- Richard Wagners "Walküre" mit dem Rotterdam Philharmonic Orchestra konzertant im Festspielhaus/BADEN-BADEN

Wagner hatte die Komposition der "Walküre" im Sommer 1854 begonnen, noch vor der Vollendung der "Rheingold"-Partitur. Der Dirigent Yannick Nezet-Seguin begreift mit dem vorzüglich disponierten…

Von: ALEXANDER WALTHER

AUFSTAND DER UNTERDRÜCKTEN -- "Farm der Tiere von George Orwell im Schauspielhaus Stuttgart

"Kein Tier in England ist frei!" So lautet das seltsame Motto von George Orwells "Farm der Tiere", die wie "1984" auch irgendwie eine seltsame Zukunftsvision ist. Die Tiere wie Hunde, Hühner, Schafe…

Von: ALEXANDER WALTHER

VERWIRRUNG BIS ZUM SCHLUSS -- "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano im Theater Atelier Stuttgart

Eine geschickt verwobene und raffinierte Handlung präsentiert Vladislav Grakovski in seiner Inszenierung des Kriminalstücks "Es war einmal ein Mord" von Giovanni Gagliano. Spannung, Humor und…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑