Logo of theaterkompass.de
HomeBeiträge
Begrenzter RaumBegrenzter RaumBegrenzter Raum

Begrenzter Raum

"Solo mit Sofa", "Vier", "Vor Ort" von Reinhild Hoffmann im Tanzhaus NRW Düsseldorf

Ein Sofa ist gemeinhin der Inbegriff der Gemütlichkeit. Dem ist nicht so in Reinhild Hoffmanns "Solo mit Sofa". Über eine Lehne des Möbels hingestreckt liegt eine Frau zu Beginn des Stückes. Mit dem Überwurf ist sie unentrinnbar verbunden, ist er doch zugleich Verlängerung ihres Gewandes. Bewegungen sind deshalb nur in einem gewissen Rahmen möglich, denn der Radius ist dadurch eingeschränkt. In berückend schönen Bildern nimmt die Tänzerin den Kampf um ihre Freiheit auf.

In "Vier" ist der Bewegungsradius ebenfalls begrenzt, denn er ist hier durch vier kleine, steinerne, im Quadrat verlegte Bodenplatten definiert. Auch hier lotet eine Tänzerin den Rahmen der möglichen Bewegungen in Höhe und Breite aus und kommt dabei zu extremen Verrenkungen. Um ihr Repertoire zu erweitern, verlegt sie Platten, nur um festzustellen, dass diese Erweiterung des Raumes nicht unbedingt zu einer Verbesserung führt, denn nun stoßen die Bewegungsmöglichkeiten an körperliche Grenzen. Zuletzt steht sie auf drei aufeinandergelegten Platten, die letzte in der Hand haltend.

Im Ausschnitt aus dem neu für 2 Tänzerinnen bearbeiten, ursprünglichem Solostück "Vor Ort" wird der Raum durch einen mit Kreide gezogenen Kreis bestimmt. Es ist ein Haschen nacheinander auf der Linie. Ein Medizinball stoppt die Bewegungen, ein Kinderroller gibt Freiheit, den Kreis auch diagonal zu durchfahren.

Man ist versucht, diese drei Studien zu Positionen im Raum in ihrer ästhetisch klaren, durchchoreographierten Sprache nicht nur als Auseinandersetzung mit dem Körper im Raum und seinen Bewegungsmöglichkeiten zu sehen, der gefangen in äußeren Bedingungen ist, sondern auch als Fragen nach Begrenzung, Selbstbeschränkung und Freiheit.

Eine Wiederbegegnung mit der Choreographin Reinhild Hoffmann, die in den1970er und 1980er mit großartigen Stücken wie "Callas", "Könige und Königinnen", "Föhn", "Ich schenk mein Herz" u.a. Furore machte, war längst überfällig. Dank des Projektes "Tanzfonds Erbe", wird nun noch einmal daran einnert, dass es hierzulande neben Pina Bausch weitere großartige Chorgeographinnen wie Reinhild Hoffmann und Susanne Linke gibt.

"Solo mit Sofa"

Choreografie: Reinhild Hoffmann

Tanz: Mimi Jeong

Musik: Empty Words von John Cage

"Vier"

Choreografie: Reinhild Hoffmann

Tanz: Héloïse Fournier; Musik: Elena Kats-Chernin

„Vor Ort“

Choreografie: Reinhild Hoffmann

Tanz: Christina Ciupke, Anna Till

Film: Michael Muschner

Kostüme: Anne Neuser

Musik: John Cage („Four Walls Scene V“, „Bacchanal“, Four Walls Scene VII“).

Filmausschnitt der Uraufführung von 1977 von Heide-Marie Haertel, Deutsches Tanzfilminstitut Bremen.

„Solo mit Sofa“ ist eine Rekonstruktion, produziert durch die Akademie der Künste Berlin 2011, rekonstruiert zum Gedenkjahr anlässl. des 100. Geburtstages von John Cage.

„Vor Ort“ – ein Ausschnitt – ist eine Rekonstruktion im Rahmen des Projekts „undo, redo and repeat“ von Christina Ciupke und Anna Till, gefördert von TANZFONDS ERBE, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes.

Mai 2014

Weitere Informationen zu diesem Beitrag

Lesezeit für diesen Artikel: 14 Minuten



Herausgeber des Beitrags:

Kritiken

Gebrochene Herzen -- "Die Märchen des Oscar Wilde erzählt im Zuchthaus zu Reading" nach Oscar Wilde von André Kaczmarczyk mit Musik von Matts Johan Leenders im Schauspielhaus Düsseldorf

Oscar Wilde war zu seinen Lebzeiten ein gerühmter Dramatiker und Dichter, bekannt auch wegen seiner vielen gewitzten Bonmots, die noch heute vielfach für Werbeanzeigen benutzt werden. Darüber hinaus…

Von: Dagmar Kurtz

BLICK IN DIE VERGANGENHEIT -- Neue CD: Giacomo Puccinis "Le Villi" bei BR Klassik

Die Uraufführung der Originalfassung von Giacomo Puccinis einaktiger Oper "Le Villi" am 31. Mai 1884 wurde ein großer Erfolg. Interessant ist bei diesem Frühwerk das Faible für den Tanz. Das Ergebnis…

Von: ALEXANDER WALTHER

DIE HIMMLISCHEN FREUDEN -- Teodor Currentzis und das Utopia Orchestra mit Brahms und Mahler im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle

Aktuell gastiert das von Teodor Currentzis gegründete Utopia Orchestra mit dem zweiten Klavierkonzert op. 19 von Johannes Brahms und der vierten Sinfonie in G-Dur von Gustav Mahler. So waren die…

Von: ALEXANDER WALTHER

ELEMENTARE AUSBRÜCHE -- Richard Wagners "Parsifal" in der Staatsoper STUTTGART

In der zerklüfteten Inszenierung von Calixto Bieito (Bühne: Susanne Geschwender; Kostüme: Merce Paloma) liegt die Apokalypse schon hinter uns, die Brücken sind eingestürzt, die Menschen kämpfen…

Von: ALEXANDER WALTHER

LEIDENSCHAFTLICHE STEIGERUNGEN -- SWR Symphonieorchester mit Jukka-Pekka Saraste im Beethovensaal der Liederhalle STUTTGART

Zwei höchst unterschiedliche Werke standen im Mittelpunkt dieses Konzerts mit dem SWR Symphonieorchester unter der inspirierenden Leitung des finnischen Dirigenten Jukka-Pekka Saraste. Zunächst…

Von: ALEXANDER WALTHER

Alle Kritiken anzeigen

folgen Sie uns auf

Theaterkompass

Der Theaterkompass ist eine Plattform für aktuelle Neuigkeiten aus den Schauspiel-, Opern- & Tanztheaterwelten in Deutschland, Österreich und Schweiz.

Seit 2000 sorgen wir regelmäßig für News, Kritiken und theaterrelevante Beiträge.

Hintergrundbild der Seite
Top ↑
StartseiteBeiträgeKritikenHintergründeTheatermacherServiceFachbegriffeSuche