Die Jury zur Begründung: „Max Frischs ‚Graf Öderland‘ ist ein irrationaler Amoklauf aus der sozialen Mitte heraus. Ein Staatsanwalt, der Welt und Recht nicht mehr sortieren kann, und ein Mörder ohne Motiv verschmelzen zum Monsterbild von ‚Graf Öderland mit der Axt in der Hand‘. Stefan Bachmann inszeniert den Albtraum der Zivilisation, einen Rausch der Gewalt. Der Schauspieler Thiemo Strutzenberger ist darin ein Hochrisiko-Öderland, für den die Trennlinien von Wachtraum und panischer Klarheit längst durchlässig sind und bei dem Entfremdung, kulturelles Unbehagen, zivilgesellschaftlicher Überdruss in die pure Aggression umschlagen: die traumatische Quintessenz eines Wutbürgers.“
Das selten gespielte Stück von Max Frisch, das er selbst als sein liebstes bezeichnete, wird in der Koproduktion von Theater Basel und Residenztheater München zu einer düsteren Horror-Revue, die einen Sog ungläubigen Schreckens entfaltet. Regisseur Stefan Bachmann lässt seine Figuren aus einem schwarzen Trichter taumeln, stürzen und kriechen. Die Bühne von Olaf Altmann ist Schauplatz einer Handlung, die verblüffend aktuell wirkt und von einer Welt erzählt, in der für unumstößlich gehaltene Grundsätze verloren sind und autoritäre, totalitäre Strömungen die Oberhand gewinnen. Menschlichkeit ist nichts weiter als eine naive Erinnerung. Oder war doch alles nur ein böser Traum?
Die Preisvergabe wird im Vorfeld des Theatertreffens in kleinem Rahmen aufgezeichnet und während des Festivals im Kontext des Streams der Inszenierung „Graf Öderland“ gezeigt – begleitet von einer Grußbotschaft der 3sat-Koordinatorin Natalie Müller-Elmau.
Seit 1997 vergibt 3sat als Medienpartner des Berliner Theatertreffens jährlich den 3sat-Preis für eine künstlerisch innovative Leistung an eine*n oder mehrere Künstler*innen aus dem Kreis der eingeladenen Ensembles. Bisherige Preisträger*innen waren unter anderen Herbert Fritsch, Sandra Hüller, Wiebke Puls, Milo Rau, Christoph Schlingensief und zuletzt Alexander Giesche.
Thiemo Strutzenberger wurde 1982 in Kirchdorf an der Krems (Oberösterreich) geboren. Er absolvierte sein Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar in Wien und war bereits währenddessen im Ensemble des Burgtheaters. Danach spielte er am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und am Theater Neumarkt in Zürich, bevor er 2010 Ensemblemitglied am Schauspielhaus Wien und 2015 am Theater Basel wurde. Währenddessen begann er, als Autor Theaterstücke zu schreiben. Seine erste Regiearbeit realisierte er 2017 am Theater Basel, 2018/2019 war er dort Hausautor. Seit der Spielzeit 2019/2020 ist Thiemo Strutzenberger Ensemblemitglied am Münchner Residenztheater.
3sat zeigt drei „Starke Stücke“ vom Theatertreffen 2021
Im Rahmen seiner Reihe „Starke Stücke“ zeigt 3sat als Medienpartner drei der zehn zum 58. Theatertreffen eingeladenen bemerkenswerten Inszenierungen in seinem Programm: „Maria Stuart“ vom Deutschen Theater Berlin (Samstag, 15. Mai 2021, 20:15 Uhr), „Graf Öderland“, eine Koproduktion von Theater Basel und Residenztheater München, (Samstag, 22. Mai 2021, 20:15 Uhr) und „Automatenbüfett“ vom Burgtheater Wien (Samstag, 29. Mai 2021, 20:15 Uhr). Alle drei Stücke sind ab 15. Mai 2021 für 120 Tage in der 3sat-Mediathek abrufbar. 3sat zeigt die Aufzeichnung von „Automatenbüfett“ mit Audiodeskription für blinde und sehbehinderte Menschen und Untertiteln für taube und schwerhörige Menschen.