In Wien sind rund 74000 Personen von akuter Armut betroffen. Immer mehr Menschen rutschen in die Sozialhilfe oder müssen in Jobs arbeiten, von denen sie kaum leben können.
Arm sein bedeutet einen entscheidenden Verlust an Bewegungsfreiheit. Arm ist, wer am Alltagsleben, am kulturellen Leben nicht wirklich teilnehmen kann.
Das Schauspielhaus Wien beschloss im November 2003, diese steigende Armut nicht länger achselzuckend in Kauf zu nehmen. Gemeinsam mit der Armutskonferenz initiierte es die Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" , die sich als kulturpolitisches Statement versteht: Kunst ist ein soziales Grundbedürfnis. Auch Menschen in finanziellen Engpässen haben ein Recht auf Kunst und Kultur.
Die Armutskonferenz stellte ihr umfangreiches Netz von Sozialorganisationen zur Verfügung und ermöglichte so die Umsetzung des Projektes. Seither gibt es den Wiener Kulturpass, der seine Bedeutung und seine großartige Wirksamkeit längst unter Beweis gestellt hat.
Außer dem Wiener Schauspielhaus beteiligen sich seit Dezember 2004 folgende Kultureinrichtungen an der Aktion: die Alte Schmiede/Kunstverein Wien, die Volksoper Wien, die Kunsthalle Wien, der Dschungel Wien, die Sammlung Essl, das wienXtra cinemagic-Kinderkino, das Arnold Schönberg Center, das Klangforum Wien, das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Porgy & Bess, Secession, das Tanzquartier Wien, das Volkstheater und das Vienna´s English Theatre. Weitere werden sicher folgen, aber schon jetzt ergibt sich daraus für Kulturpassbesitzer/innen ein breites Kultur-Spektrum, das sie jederzeit gratis nutzen können.
Die Kulturstätten selbst müssen nicht auf Einnahmen verzichten. Finanziert wird die Aktion nämlich ganz durch Spenden von Privatpersonen, Institutionen oder Firmen, was in Österreich, diesem besonders kulturfreundlichen Land offenbar bestens funktioniert. Mit den gesammelten Spendengeldern werden die Eintrittskarten finanziert, die gegen Vorlage des Kulturpasses an der Kasse (in Theatern an der Abendkasse) unentgeltlich abgegeben werden.
Der Kulturpass kann von Menschen, die Sozialhilfe oder eine Mindestrente beziehen, von Arbeitslosen und Flüchtlingen bei vielen sozialen Einrichtungen in Wien bezogen werden. Unter manchen anderen bei der Caritas, der Diakonie, der Schuldnerberatung, bei SOS Mitmensch, beim Verein Wiener Sozialprojekte und der Wiener Berufsbörse.
Neben dem Kulturpass gelten auch der Wiener Sozialpass und der Zivildienerausweis.
Eine so gute Idee muss sich verbreiten. Bereits hat das Theater am Neumarkt in Zürich nach dem selben Modell eine Aktion "Hunger auf Kunst und Kultur" gestartet, und auch dort steigt das Interesse.
Die Idee ist so einleuchtend, die Aktion so wichtig, dass sie auch für Deutschland dringend empfohlen sei.