Begonnen wird der Abend mit George Balanchines Symphonie in C, das 1947 durch die Kompanie der Pariser Opéra uraufgeführt wurde. Der Choreograph schuf es in nur zwei Wochen, nachdem ihn Igor Strawinski auf die Partitur aufmerksam gemacht hatte. Mit diesem Werk steht ein Ballett auf dem Programm, in dem die Musik – George Bizets namensgebende Symphonie in C – direkt in ein klassisches Vokabular umgesetzt wird und durch die Choreographie sozusagen sichtbar gemacht wird. Wurde das Werk zuerst der prächtigen Ausstattung wegen Le Palais de Cristal genannt, so entschloss sich Balanchine bald, Dekoration, Kostüme und Titel zu vereinfachen, wie auch schon bei seinem Apollon Musagète, das zu Apollo wurde. Le Palais de Cristal – nunmehr in Symphonie in C umgetauft – wird seit der New Yorker Premiere durch die Compagnie der Ballet Society 1948 ohne Dekoration getanzt. An der Wiener Staatsoper wurde es nach der Erstaufführung 1956 bei einem Gastspiel des New York City Ballets 1972 vom Wiener Staatsopernballett erstmals getanzt. Bis 1984 standen insgesamt 46 Vorstellungen auf dem Programm der Wiener Staatsoper.
In der Premiere sind u. a. die Ersten SolotänzerInnen Liudmila Konovalova, Denys Cherevychko, Robert Gabdullin und Vladimir Shishov sowie die SolotänzerInnen Alice Firenze, Natascha Mair, Nina Tonoli und Jakob Feyferlik zu erleben.
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Danach folgt Edwaard Liangs 2013 kreiertes Murmuration, für das sich der in Taiwan geborene und in den USA aufgewachsene Choreograph und Tänzer von den Flugmustern der Stare inspirieren ließ. Das Werk präsentiert als herausragende Eigenschaft von Liangs choreographischer Handschrift nahtlos fließende Bewegungen von acht Paaren und einem Tänzer vor dem Hintergrund großer emotional durchdrungener Spiritualität. Die in Murmuration etablierten choreographischen Konzepte entzündeten sich nach den eigenen Worten von Edwaard Liang an den „Formen und Mustern von Starenschwärmen am Himmel“ („Murmuation“ bezeichnet das Phänomen des sich Trennens und Durchmischens der einzelnen Schwärme bzw. einzelner Schwarmteile) und beinhalten spontane Richtungswechsel, lebhaft verzahnte Bewegungsmuster und kreisartige Elemente, die vor allem zum Ende hin auf Basis eines Kanons durchgestaltet sind. Zuletzt war bei der Nurejew Gala 2016 im vergangenen Juni mit Distant Cries ein Werk von Edwaard Liang zu sehen.
In Murmuration tanzen u. a. die Ersten SolotänzerInnen Nina Poláková und Roman Lazik und die SolotänzerInnen Alice Firenze und Jakob Feyferlik.
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Schlussendlich steht am Premierenabend die Uraufführung von Daniel Proiettos "Blanc" auf dem Programm. Der argentinische Tänzer und Choreograph wurde von Ballettdirektor Manuel Legris mit einer Neukreation für das Wiener Staatsballett beauftragt, schon sein Werk Cygne sorgte bei der Nurejew Gala 2016 für Begeisterungsstürme. Blanc nimmt von einem Meilenstein der Ballettgeschichte seinen Ausgang, und zwar von Fokins 1908 uraufgeführtem Les Sylphides, das für die Entstehung der Moderne große historische Bedeutung trägt.
Proiettos Blanc vereint Tanz, Musik, Text, Schauspiel – so wird neben Musik von Chopin auch eine Neukomposition des schwedischen Komponisten Mikael Karlsson das Ballett untermalen. In den beiden tänzerischen Hauptpartien – Die Frau/Sylphide und Der Schatten/Poet – sind die Erste Solotänzerin Ketevan Papava und der Solotänzer Eno Peci zu erleben, weiters tanzen u. a. die Ersten SolotänzerInnen Liudmila Konovalova und Davide Dato und die SolotänzerInnen Ioanna Avraam, Nina Tonoli und Masayu Kimoto.
Für die Sprechrolle des Poeten – mit einem Text des norwegischen Schriftstellers Alan Lucien Øyen – konnte der österreichische Film- und Theaterschauspieler (u. a. Burgtheater) Laurence Rupp verpflichtet werden. Die Kostüme stammen von der norwegischen Designerin Stine Sjøgren.
Zum Inhalt von Blanc:
Ein Poet – alleine mit seinem Schatten – hofft vergeblich auf Inspiration und flüchtet sich in seine Gedankenwelt und einen Tagtraum, wo er in einem Wald auf eine Gruppe Sylphiden trifft. Er fühlt sich von ihnen nicht angezogen und die leeren Seiten in seinem Notizbuch lassen ihn so sehr verzweifeln, dass er die Inspiration, die ihn umgibt, nicht bemerkt. Erst durch die Begegnung mit einer Muse in Gestalt einer jungen Frau kann er zu schreiben beginnen. Doch im Bewusstsein, dass das Zusammensein mit der Muse nur kurz andauert, wird der Poet erneut von Einsamkeit übermannt, gerät in einen Sog von Dunkelheit, und die Momente von Inspiration werden zu bedrückenden Gedanken. Zurück in der Realität trifft der Poet schließlich auf eine Frau, die wie die reale Verkörperung seiner Muse wirkt. Von ihm angesprochen, reagiert sie allerdings nicht. Der Poet wird aus der Welt herausgerissen, eingesperrt in seine Gedanken: ein einsamer Mann.
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BALANCHINE | LIANG| PROIETTO
Dirigent: Fayçal Karoui
SYMPHONIE IN C
Choreographie: George Balanchine
Musik: Georges Bizet
Hauptpaare:
I. Satz: Natascha Mair – Jakob Feyferlik
II. Satz: Liudmila Konovalova – Vladimir Shishov
III. Satz: Nina Tonoli – Denys Cherevychko
IV. Satz: Alice Firenze – Robert Gabdullin
MURMURATION
Choreographie: Edwaard Liang
Musik: Ezio Bosso | Kostüme: Edwaard Liang, Laura Lynch
Licht: Lisa J. Pinkham
Nina Poláková – Roman Lazik
Eszter Ledán – James Stephens, Gala Jovanovic – Jakob Feyferlik, Alice Firenze – Dumitru Taran
BLANC (Uraufführung)
Choreographie: Daniel Proietto
Musik: Mikael Karlsson, Frédéric Chopin | Text: Alan Lucien Øyen
Kostüme: Stine Sjøgren | Bühnenbild: Leiko Fuseya | Licht/Video: Martin Flack
Der Poet (Sprecher): Laurence Rupp
Die Frau/Sylphide: Ketevan Papava
Der Schatten/Poet: Eno Peci
Zwei Sylphiden: Liudmila Konovalova, Natascha Mair
Zwei Poeten: Davide Dato, Masayu Kimoto
Drei Sylphiden: Ioanna Avraam, Nina Tonoli, Eszter Ledán
Solopiano: Maria Radutu
Wiener Staatsballett
Orchester der Wiener Staatsoper
Reprisen (alternierende Besetzungen): 2., 4., 5., 18. November 2016