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Weltkultur trifft Ruhrgebiet

Am 20. August beginnt die zweite RuhrTriennale

Am Anfang stand die mutige Idee, ein internationales Fest der Künste an die Industriekultur im Ruhrgebiet zu koppeln und ein spannendes Zusammenspiel zwischen moderner Kunst und Zeugnissen industrieller Arbeitswelt zu schaffen. Gérard Mortier, dem Mitbegründer und erstem Intendanten, ist es mit einem hochkarätigen Programm gelungen, aus dem Stand die RuhrTriennale 2002-2004 als herausragendes europäisches Festival zu etablieren.

Diese erste Triennale erschloss die grossen Denkmäler des Industriezeitalters und schuf darin eine Struktur charakteristischer Spielstätten als unvergleichlichen Kulturstandort mitten in Europa. Dabei öffneten sich neue Räume für neue Wege in der Kunst. Theaterreguisseure stellten sich der Herausforderung der eigenwilligen Szenerien. In ehemaligen Maschinenhallen und Kokereien verschmolzen Sprechtheater, bildende Kunst, Popmusik und Avantgarde zu übergreifenden Formen - den sogenannten Kreationen.

Als Haupt-Veranstaltungsorte bewährten sich nach aufwändigen Renovierungen die Bochumer Jahrhunderthalle sowie verschiedene Bühnenräume im Duisburger Landschaftspark Nord. Weitere Triennale-Städte: Bottrop, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hamm, Herne, Mülheim, Oberhausen, Recklinghausen und Wuppertal.

 

Seit dem Start am 31. August 2002 auf der Essener "Zeche Zollverein" feiert die RuhrTriennale ihre Triumphe als innovatives, internationales Festival. Das ist vor allem den zahlreichen Eigenproduktionen mit hochinteressanten Mitwirkenden zu verdanken. Von insgesamt 33 Kreationen entstanden 28 an der Ruhr oder mit Kooperationspartnern in Europa und den USA. Beteiligt waren einige der berühmtesten Künstler unserer Zeit aus ganz verschiedenen Sparten.

 

Das Ruhrgebiet ist seit jeher eine dichte Kulturlandschaft, in der sich Kunst und schwerindustrielle Arbeitswelt auf ganz eigene, lebendige Weise begegnen. Die RuhrTriennale hat dieser einmaligen Konstellation mit prominentem Zuzug erhöhten Glanz verliehen und sie in der kunstinteressierten Welt berühmt gemacht. Dass dafür in einer Zeit der knappen Kassen und rigorosen Einsparungen sehr viel Geld geflossen ist, mag manchen befremdet haben, der vor Ort um die Erhaltung der gewachsenen Kulturstätten kämpft. Allerdings fällt von dieser besonderen Strahlkraft auch einiges auf die Region als solche. Die RuhrTriennale ist ein Publikumsmagnet. Bereits im Startjahr betrug die Auslastung 64 Prozent und steigerte sich bis 2004 auf 87 Prozent.

Die JungeTriennale als Beiprogramm hat Kinder, Jugendliche und Studenten aus ganz Nordrhein-Westfalen aktiv an das neue Festival herangeführt. Für über 15000 Teilnehmer gab es Einführungen und organisierte Vorstellungsbesuche sowie einen Kinder-Karawanentag, einen Zauberflötentag und Theater-Workshops.

 

Nach soviel Glanz und Gloria darf man auf die zweite RuhrTriennale unter der Leitung von Jürgen Flimm gespannt sein.

Auch sie wird sich in den attraktiv erschlossenen Industrie-Spielstätten entfalten. Auch sie wird Auftragswerke als Eigenproduktionen präsentieren, 8 davon sogar als Uraufführung. Über 700 Künstler aus mehr als 20 Ländern werden allein in der Spielzeit 2005 an den 25 Produktionen beteiligt sein, davon wieder etliche Prominente, die anderswo hoch gehandelt werden und sicher für spannende künstlerische Erlebnisse sorgen.

 

Den inhaltlichen Schwerpunkt setzt Jürgen Flimm allerdings anders. War die erste Triennale vor allem von einer vehementen Pionierstimmung geprägt, wird die zweite eine Besinnung auf die Vorgeschichte des Dialogs von Kultur und Industrie wagen. Sein Programm beschäftigt sich mit der Gleichzeitigkeit von romantischer Innerlichkeit und beginnendem Industriezeitalter im frühen 19. Jahrhundert. "Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. Nach innen geht der geheimnisvolle Weg", schrieb Novalis. Der harte, schneller werdende Rhythmus der jungen industriellen Gesellschaft wurde dann bald so stark, dass der Ton der Literatur ihn nicht mehr ignorieren konnte.

 

Die RuhrTríennale hat Autoren, Regisseure, Musiker und bildende Künstler eingeladen, Zeitreisen zu unternehmen in diese Ursprungsgeschichte der Moderne. Ihre Arbeiten kreisen um Fundstücke aus dieser Zeit. Was im Begriff des Romantischen mitschwingt, ist eine Herausforderung an die Künstler, das Widersprüchliche in der eigenen Arbeit auszuloten. So, dass sich am Ende der Spielzeit das Erlebte auf Rilkes poetischen Begriff bringen lassen kann: "Das war der Seelen wunderliches Bergwerk."

 

Nach einem rauschenden Fest von 4 bis 4 am 20. August wird bis zum 16. Oktober ein weitgespanntes, grosses Programm zu sehen sein. Erwähnt seien hier die Schauspielkreationen:

 

"Fort Europa"

die letzte Inszenierung des Regisseurs Johan Simons mit seiner international gefeierten Gruppe ZT Hollandia. Das neue Stück des belgischen Autors Tom Lanoye handelt von Europäern, die Europa verlassen wollen, weil es nicht das erträumte Paradies geworden ist. Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Konsumterror bedrohen die europäische Kultur. In einem Warteraum unterhalten sich emigrierende Europäer aus dem Blickwinkel der nahen Zukunft über den alten Kontinent.

 

"Tragödie ohne Titel"

Ein Versuch Roberto Ciullis, das Werk des spanischen Dramatikers Federico Garcia Lorca als Ganzes zu begreifen und an einem Abend zusammenzuführen. Ciulli wird die Dramenfiguren Lorcas mit der Biografie ihres Autors in Berührung bringen. So weben sich dessen Lebensthemen, die Musik seines Lebens durch diesen Abend, in Worten und Liedern erzählt von den Protagonisten seiner Stücke.

 

"Meine Schneekönigin" von Andersen/Castorf

"Wir leben in einem nachwissenschaftlichen Zeitalter, in dem Spekulation und Intuition wieder wichtig werden. Diese Welt sehnt sich nach dem Märchenhaften", sagt Frank Castorf und inszeniert zum 200. Geburtstag von Hans Christian Andersen sein erstes Märchen.

 

Ausserdem wird es eine Schau auf das Werk der Regisseurin Andrea Breth geben.

Ihre szenische Installation "Nächte unter Tage" wird ausserdem in der Kokerei Zollverein uraufgeführt.

 

Vollständiges Programm unter

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