Doch Alfred ist völlig überfordert mit diesem Wunsch, denn er fürchtet sogar einen Bordell-Besuch. In der rasanten und atemlosen Inszenierung von Christian von Treskow und mit Bühne und Kostümen von Sandra Linde geraten die Ereignisse bald völlig außer Kontrolle. Alfred greift in seiner Not auf die Pension Schöller zurück. Deren exzentrische Gäste werden als Patienten präsentiert. Onkel Philipp ist zwar zunächst begeistert - aber als die Verrückten vor seiner Haustür auftauchen, ist der Spaß zu Ende. Ein unerwarteter Gegenbesuch droht den Onkel in den Wahnsinn zu treiben. Alfred ist dagegen verliebt in die Tochter Franziska der Inhaberin der Pension Schöller. Und der weltreisende Wissenschaftler Prof. Bernhardy macht Ida Klapproth (der Schwester von Alfred) einen Heiratsantrag.
Diese durchaus amüsante Aufführung mit Studierenden der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart lebt vor allem von den überzeugenden schauspielerischen Leistungen. Neben dem verrückten Major von Mühlen (facettenreich: Katharina Bogdanova Petrova), der immer wieder geradezu zwanghaft "Genugtuung" fordert, gefallen Melina Petala als Franziska Schöller sowie Leonie Wegner als überdrehte Schriftstellerin Josephine Zillertal. Güzide Coker mimt abwechslungsreich den weltreisenden Schriftsteller Prof. Bernhardy, während Richard Kipp als Alfred Klapproth sehr wandlungsfähig wirkt. Kristina Moiseieva ist seine immer in Panik geratende Schwester Ida. Als Gutshofbesitzer Philipp Klapproth gefällt ferner Mika Pavle Kuruc, der in immer neue Rollen zu schlüpfen scheint. Luise Kostopoulos mimt facettenreich Frau Schöller, die oft fast in Ohnmacht fallende Inhaberin der Pension Schöller. Und der angehende Schauspieler Eugen wird virtuos von Arvid Maier gespielt. Er zitiert ständig neue Rollen - von Shakespeares "Macbeth" bis "Romeo und Julia".
Auch Schillers "Wilhelm Tell" ist dabei. Und Onkel Philipp liest die Zeitschrift "Psychologie heute" in aller Gemütsruhe, um dann doch wieder unsanft gestört zu werden. Kleine ferngesteuerte Panzer fahren über die Bühne, das Chaos ist perfekt. So gerät der dramaturgische Spannungsbogen in dieser "Heilanstalt für Geisteskranke" immer mehr außer Kontrolle, was Christian von Treskow im rustikalen Bühnenbild satirisch überspitzt inszeniert. Frau Schöller singt sogar eine Arie aus Wagners "Lohengrin". Schließlich hat Philipp Klapproth alle Geisteskranken eingesperrt, wird aber vor allem von Alfred selbst für schizophren gehalten.
Zuletzt stehen alle Protagonisten plötzlich wieder auf der Bühne. Und Philipp möchte ihnen dann eine Geschichte erzählen, "die mir kürzlich passiert ist: In der Pension Schöller". Das Licht verdunkelt sich gespenstisch ins Bläuliche - alle fallen um. Das unglaubliche Tohuwabohu hat ein Ende.
Diese von Christian von Treskow bearbeitete Komödie war übrigens schon 1956 mit Willy Millowitsch im Fernsehen zu sehen. Man merkt den jungen Schauspielstudenden den nicht zu bremsenden Spaß am Spiel deutlich an. Übertreibungen werden minuziös herausgearbeitet, fordern das Publikum ständig zum Lachen heraus. Außerdem öffnen sich wiederholt Fallfüren, in denen die Darsteller plötzlich verschwinden und auch wieder auftauchen. Dieses verrückt-hintersinnige Stück ist eigentlich eine Persiflage auf Klamotte, Schwank und Schmiere im Sinne von Wanderbühne. Auch der Name "Kyritz an der Knatter" taucht im Zusammenhang mit dem Gutshofbesitzer Philipp Klapproth als kleines primitives Provinztheater immer wieder auf. Das kommt bei der atemlosen Inszenierung auch gut zum Vorschein. Den Charakter des "Bonvivants" vermag vor allem Mika Pavle Kuruc als Philipp überzeugend herauszuarbeiten.
Das bürgerliche Lachtheater wird hier zur Katastrophe, bei der alles so weitergeht wie bisher. Was man stellenweise vermisste, war die "Berliner Schnauze". Trotzdem geriet die Aufführung zum Theater-Vergnügen. Das Publikum war bei der Premiere jedenfalls begeistert von der Vorstellung.