2006 erschien der Aufsatzband „Disaster Awareness Fair“, in dem sie sehr grundsätzlich über unser Verhältnis zu Katastro-phen reflektierte. In ihrem neuesten Stück, „Worst Case“, geht sie dieses Thema noch einmal von einer anderen Seite an. Nicht die Katastrophen selbst und deren direktes Erleben (oder Er-leiden), sondern die medialen und politischen Katastrophener-zählungen, das unaufhörliche Gerede in Nachrichten und Talk-Shows, die sich dem Bewältigen oder Beschwören realer Katast-rophen widmen, sind ihr Material. Diese Katastrophendiskurse wiederum setzt sie in Beziehung zum unermesslichen Fundus an Genrebildern, die die Kinoindustrie produziert. Diese Bilder und Szenen evozieren und überformen unsere Erwartungen und Ängste. Aus dem Amalgam der Klischees, die sie produzieren, verfertigen wir unsere Gedanken beim Reden über das, was uns droht. Sie bilden die Grundlage unserer culture of fear.
Kathrin Röggla hat sich diese Filme angesehen, um so etwas wie eine Grammatik des Katastrophalen zu erarbeiten. Wenn die Ka-tastrophenerzählungen Hollywoods die Grundmuster unserer Welt-wahrnehmung bilden, müssen wir Zuschauer die Katastrophengram-matik lernen. Dazu will sie uns in ihrem neuen Stück verführen und stellt sich selbst die Aufgabe, den Suggestionen der all-gegenwärtigen Genreerzählungen mit einem „Gegenzauber“ zu be-gegnen, der andere Unheimlichkeiten erzeugt als die in Scien-ce-Fiction-Filmen.
Kathrin Röggla formuliert ihr theatralisches Statement in vier Bildern, die alle nach einer Katastrophe spielen. Wobei schon die Frage, ob man soeben Zeuge einer Katastrophe gewesen sei, die auftretenden Personen massiv verunsichert. Ihr Denken und Sprechen hat seltsam indirekte Formen angenommen. Sie reden nicht nur im Konjunktiv. Ihre ganze Existenz scheint konjunk-tivisch geworden zu sein. Unter solchen Voraussetzungen wird es schon schwierig, „ich“ zu sagen, eine Haltung zu beziehen. Das delegieren wir lieber an Experten, die wir unaufhörlich interviewen. Sie spielen auch in diesem Stück eine wichtige Rolle, ob sie nun tatsächlich auftreten oder von den anderen nur erwartet oder zitiert werden.
Regie Leopold von Verschuer
Bühne und Kostüme Claudia Grünig
Puppenbau Dorothee Metz, Isabelle Neu, Vanessa Valk
Musik Bo Wiget
Dramaturgie Josef Mackert
Mit:
Frank Albrecht
Johanna Eiworth
Dorothee Metz
Florian Schmidt-Gahlen
Vanessa Valk
Ullo von Peinen
Weitere Vorstellungen im Kleinen Haus:
So 19.10./ So 26.10., jeweils 20.00 Uhr
Di 11.11. / Mi 12.11. / Do 13.11. / So 30.11.2008, jeweils 20.00 Uhr
Weitere Vorstellungen sind in Planung.