Nach den Uraufführungen von Wolfram Hölls poetischem Erinnerungsversuch über das Sterben und den Tod seines Vaters „Vom Verschwinden vom Vater“ am Theater Basel und Katja Brunners sprachgewaltiger Wutrede gegen die Zumutungen des Alters am Luzerner Theater, präsentiert nun das Konzert Theater Bern das Debutstück seiner diesjährigen Hausautorin Michèle Roten.
„Wir sind selig! Oder: Oder.“ ist eine pointierte Bestandsaufnahme über die Konsequenzen einer Multioptionsgesellschaft. In scharfen Dialogen rechnet die Zürcher Journalistin und Autorin darin humorvoll aber gnadenlos mit der unerträglichen Grenzenlosigkeit des Seins ab.
Anna und Eric, Sophie und David sind typische «Ypsiloner
». Sie gehören zu jener Generation, die nach Selbstverwirklichung in allen Lebensbereichen strebt und dabei die Frage nach dem Sinn des Seins und Tuns keine Sekunde aus den Augen verlieren. Nach dem Motto «Anything Goes» leben sie ein selbstbestimmtes, anspruchsvolles und gleichzeitig ambivalentes Leben in ihren Lofts oder Altbauwohnungen zwischen Eames-Stühlen und Minotti-Sofas in Berlin, Zürich oder Bern. Als «Digital-Natives» sind sie nie ganz auf sich allein gestellt, sondern mit WhatsApp, Facebook, Twitter über ihre Smartphones ständig mit der ganzen Welt verbunden. Das Suchen von Antworten und Lösungen in Netzwerken ist elementarer Bestandteil des Alltags. Geteiltes Wissen ist Macht und konstruktives Feedback bringt die Gemeinschaft sowie auch einen selbst weiter.
Allerdings gibt es in dieser Welt der Likes nur wenig Platz für Trauer und lebenserschütternde Nachrichten. Als Anna in ihrer ersten Schwangerschaft eine Fehlgeburt erleidet, wachsen in ihr nicht nur die Zweifel darüber, ob ihr Partner Eric der richtige Mann und der wirkliche Vater ist, auch ihr Mitteilungsbedürfnis steigert sich ins Groteske. Nachdem sie auf Facebook nicht die erwarteten Reaktionen erhält, lädt sie alle ihre Freunde zu einer Abschiedsfeier für ihr ungeborenes Kind ein. Sophie und David, die stolzen aber überforderten Eltern von Zwillingen, finden sich ein und eine bitter-böse Schlammschlacht nimmt ihren Lauf, in der sich die «Ypsiloner» nicht nur gegenseitig in ihrem hedonistischen Selbstverständnis entlarven, sondern auch die Probleme und Sehnsüchte einer ganzen Generation verhandeln.
Michèle Roten, 1979, ist Autorin und Journalistin. Sie hat an der Universtät Zürich Germanistik, Soziologie und Kriminologie studiert. Für «Das Magazin» schrieb sie zehn Jahre lang eine wöchentliche Kolumne (gesammelt in «Miss Universum», Echtzeit 2008). Ihr schriftstellerisches Debüt gab sie mit dem Fortsetzungsroman «Eins bis Sechs» (Echtzeit 2008). Für «Wie Frau sein» (Echtzeit 2011) wurde sie mit dem Somazzi-Preis ausgezeichnet. Das Buch wurde zudem auf die Hotlist 2012 und somit zu den besten zehn Büchern von unabhängigen Verlagen gewählt, es liegt bereits in der 3. Auflage vor. Im Rahmen der Stück Labor Hausautorenschaft hat sie nun ihren ersten Text für das Theater geschrieben.
Regie: Nina Gühlstorff
Bühne: Renate Wünsch
Kostüme: Myriam Casanova
Dramaturgie: Sabrina Hofer
Mit: Sophie Hottinger, Pascal Goffin, Mona Kloos, Stefano Wenk, Heidi Maria Glössner
Stück Labor Texte in der Juni-Ausgabe von Theater Der Zeit
Stück Labor setzt die Zusammenarbeit mit „Theater der Zeit“ auch in diesem Jahr fort. Zwei der drei im Rahmen der Hausautorenschaften entstandenen Stücke werden in der Juni-Ausgabe des renommierten Fachmagazins abgedruckt, darüber hinaus geben alle drei Schreibenden in Interviews Auskunft zu ihren neu entstandenen Texten. Ab Anfang Juni ist das Magazin erhältlich in den üblichen Vorverkaufsstellen und an den beteiligten Stück Labor Theatern.
Abschlussveranstaltung „Final Stories“
Geplant war es nicht, vorgegeben schon gar nicht. Trotzdem haben sich die drei diesjährigen Stück Labor Autorinnen und Autoren Katja Brunner, Michèle Roten und Wolfram Höll in ihren neuen, formal sehr unterschiedlichen Theatertexten alle mit demselben Themenkomplex beschäftigt: Sie erzählen Final Stories, Geschichten, die sich mit der Endlichkeit, dem Altern, dem Tod und verschiedenen Arten der Trauer auseinandersetzen. Reiner Zufall? Zum Abschluss der Saison werden die drei neuen Texte in kurzen Lesungen präsentiert und diskutiert. Für das Gespräch mit den Schreibenden konnte der Basler Soziologieprofessor Ueli Mäder gewonnen werden. Der Eintritt ist frei!
„Final Stories“ am Freitag, 12. Juni 2015, 20.00 Uhr, Theater Basel, Kleine Bühne
Moderation: Ueli Mäder (Prof. Soziologie Basel)
Stück Labor Basel 2014/15. Neue Schweizer Dramatik.
Eine Kooperation von Theater Basel, Luzerner Theater und KonzertTheater Bern.
Mit der freundlichen Unterstützung von Pro Helvetia, Migros-Kulturprozent,
Ernst Göhner Stiftung und Landis und Gyr Stiftung.
Weitere Informationen unter www.stuecklaborbasel.ch