Den Plebs-Begriff unterzieht Kevin Rittberger einer intensiven Re-Lektüre: Er analysiert „das Volk“ als Organismus, dessen Inneres unter dem Druck der Verhältnisse gleichsam nach außen zu drängen droht - und dessen unkontrollierbares anarchistisches Potenzial bei denen, die noch etwas zu verlieren haben, für Panik sorgt. Aber das Volk kennt sich selbst nicht mehr, weil es kaum organisiert ist, und von der Macht, die es entfesseln könnte, hat es allenfalls eine vage Ahnung.
William Shakespeares Drama Coriolanus erzählt von einem römischen Elite-Kämpfer mit politischer Ambition, der als Kriegsheld die Plebejer für seine Zwecke erst zu nutzen sucht, sich bald schon kriegerisch gegen sie wendet - und schließlich über seine eigenen strategischen Hakenschläge und Seitenwechsel in den Untergang stürzt.
Rittberger nimmt in plebs coriolan jene Gesellschaftskonzepte auf, die Shakespeare nur skizziert, zur späteren Feinzeichnung hingeworfen und freigegeben hat: Die schon bei Shakespeare thematisierte „Multitude“ ist eine unzähm- und unbezwingbare Größe - wovon übrigens auch der späte Bertolt Brecht Bericht erstattete, der in einer unvollendet gebliebenen Coriolanus-Bearbeitung sein Misstrauen gegen die Unersetzlichkeit des Heldenindividuums formulierte.
Ach ja, Betroffenheit, an diesem Ort, ein Mann kam herbei, ein mächtiger Abgesandter, und trug diese fabelhafte Bauchmetapher vor, die bis heute unwidersprochen ist. Es sei doch alles gut so wie es sei. Und wenn es anders sei, sei das ja falsch, schädigend für den Gesamtorganismus. Vom runden Bauch würde schon was nach unten sickern, zum kleinen Zeh. Gesund sei das und natürlich. Als Körperpolitik schluckte man das hier, als Biopolitik verweigerte man das woanders.
Jetzt fragen sie ihn noch mal, die Altertümer, Untümer und kleinen Zehen, fragen ihn vielleicht zum letzten Mal. Also sprechen sie und diesmal nicht mit dem Vertreter: Coriolan, unsere ruhelosen Beine zittern in den ungepflegten Häusern, wie Aale! Zuckt auch was in den anderen Körpern, ist da irgendjemand unter Strom? Coriolan, achtest du darauf, dass wir nicht wollen, was wir nicht wollen? Gibst du ihn frei, den Kollektivplural? Wir geben dir keine Stimme, aber gib du uns deine! "Die Macht des Volkes ist nicht die Macht der versammelten Bevölkerung, die seiner Mehrheit oder die der Arbeiterklasse. Sie ist einfach nur die Macht, die denjenigen eigen ist, die weder zum Regieren bestimmt sind, noch zum Regiertwerden." (Jacques Rancière)
plebs coriolan wird versuchen, die Plebs neu auszuleuchten, hier und dort, vor allem aber da, wo kein Scheinwerfer gewesen sein wird.
(Kevin Rittberger)
Regie Kevin Rittberger
Bühne / Kostüm Janina Brinkmann
Musik Kira Kira
Hanna Eichel
Barbara Horvath
Steffen Höld
Gideon Maoz
Myriam Schröder
Thiemo Strutzenberger
weitere Termine:
Sa, 13. April 2013
Di, 16. April 2013
Mi, 17. April 2013