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URAUFFÜHRUNG: FRANCIS BACON - Tanzstück von Overhead Project (Tim Behren & Florian Patschovsky) - Mit der Tanzcompagnie Konzert Theater BernURAUFFÜHRUNG: FRANCIS BACON - Tanzstück von Overhead Project (Tim Behren &...URAUFFÜHRUNG: FRANCIS...

URAUFFÜHRUNG: FRANCIS BACON - Tanzstück von Overhead Project (Tim Behren & Florian Patschovsky) - Mit der Tanzcompagnie Konzert Theater Bern

Premiere So, 01. Mai 2016, 18:00 Uhr, Vidmar 1. -----

Wie kaum ein anderer Maler des 20. Jahrhunderts hat Francis Bacon den menschlichen Körper ins Zentrum seines Schaffens gestellt. Seine Bilder zeigen die Porträtierten in extremen Situationen, physisch wie emotional. Oft standen seine jugendlichen Liebhaber, aber auch enge Freundinnen und Freunde Modell für Bacons Bilder, nicht selten porträtierte er auch sich selbst.

Seine Gemälde sind unbequem und bedrückend und gleichzeitig von grandioser Ausdruckskraft. Dies hat Bacon, so anstössig man seinen durch Homosexualität, Spielsucht und Rauschmittelmissbrauch geprägten Lebenswandel auch empfinden mochte, die uneingeschränkte Wertschätzung der Kunstwelt zuteilwerden lassen.

 

Im Zentrum der künstlerischen Recherche standen dabei vor allem drei Themenfelder im Zusammenhang mit Bacons Leben und Schaffen. Das erste Feld hängt mit Bacons analytischem Blick auf den Körper von Mensch und Tier zusammen, der sich vor allem an den seriellen Fotografien von Eadward Muybridge (1830-1904) geschult hatte und deren technische Umsetzung seinerzeit ebenso aufsehenerregend war wie ihr kaum verhüllter Homoerotismus.

 

Das zweite Feld ist mit Bacons Faszination für die spielerische und kämpferische Auseinandersetzung zwischen den Menschen, aber auch zwischen Mensch und Tier verknüpft. Vor allem anhand „kämpferischer Sportarten“ wie American Football oder Rugby erarbeitet, aber auch auf gesellschaftlichen Militarismus verweisend, wird hier die Grenze zwischen Spiel und Ernst, zwischen Zupacken und Verletzen in den Blick genommen und insbesondere mit gängigen Konzepten von Männlichkeit in Verbindung gebracht.

 

Das dritte Feld leitet sich schliesslich von Bacons unbändigem Drang ab, den beschädigten, versehrten Körper zum Gegenstand seines Schaffens zu machen. Bilder von Unfallopfern oder Kriegsverwundeten, aber auch künstlerische Kreuzigungsdarstellungen schlugen Bacon in den Bann, ebenso Tierkadaver. In

vielen seiner Bilder wird der Blick ins Innere von Mensch und Tier gesucht, vor allem über weit aufgerissene Körperöffnungen. Die Lust am Sezieren und Ausweiden kann allgemeiner verstanden werden als ein Streben danach, das Verborgene sichtbar zu machen, das in uns Befindliche nach aussen zu kehren. An diese Sichtweise anknüpfend, hat Overhead Project zusammen mit den Tänzerinnen und Tänzern der Tanzcompagnie versucht, durch Bewegung erfahrbar zu machen, was den „stummen Schreien“ der Figuren auf Bacons Gemälden zugrunde liegen könnte.

 

Resultat der Arbeit auf diesen drei Feldern ist ein Stück voller Kontraste, das die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Körpers klar in den Vordergrund rückt, die Relikte tierischen Verhaltens im Umgang der Menschen miteinander zum Thema macht, aber auch zarte, poetische Momente bereithält.

 

Nach Giacometti wird sich die Tanzcompagnie KonzertTheater Bern erneut auf die Spuren eines bildenden Künstlers begeben, angeleitet vom Duo Overhead Project (Tim Behren & Florian Patschovsky), welches im Wettstreit um die Berner Tanzpreise 2015 den Preis der Jury erhalten hat.

 

Overhead Project ist das Akrobaten- und Choreografenduo Tim Behren und Florian Patschovsky, das seit 2008 Stücke an der Grenze von Zeitgenössischem Zirkus, Tanz und Performance entwickelt. Ausgebildet wurden sie als Partnerakrobaten an der Brüsseler Ecole Supérieure des Arts du Cirque (ESAC). 2008 kamen sie zur Freiburger Kompanie HeadFeedHands und entwickelten in Anlehnung an den französischen Nouveau Cirque eine Bühnensprache als neuartige Bewegungskunst. Als eine von drei grossen Tourproduktionen entstand «[How To Be] Almost There» (2011). Das daraus stammende Duett gewann mehrere internationale Auszeichnungen, u. a. den 1. Jury- und Publikumspreis beim Choreografiewettbewerb No Ballet 2011, beim SzoloDuo Festival Budapest 2012 und 2015 den Preis der Jury bei den Berner Tanzpreisen.

 

Als Overhead Project debütierte das Duo 2012 mit der Kurzchoreografie «Eh La. The boy who cries wolf » in Kooperation mit der israelischen Choreografin Reut Shemesh. Als Tänzer arbeiten sie mit Kompanien wie Stephanie Thiersch/MOUVOIR und DOSSIER 3-D-Poetry/Marion Dieterle. In «Carnival of the body» (2015), das den Showsport Wrestling als martialische Körperinszenierung thematisierte, choreografierten sich die beiden erstmals in abendfüllender Länge selbst. In ihrem im Sommer 2015 erarbeiteten Stück «Penumbra» für die Heidelberger Schlossfestspiele choreografierten sie schliesslich zum ersten Male für eine grössere Tanzcompagnie, genauer: für zehn Tänzerinnen und Tänzer der Dance Company Nanine Linning - Theater Heidelberg.

 

Im November 2015 erhielt Overhead Project den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für ihr bisheriges herausragendes künstlerische Schaffen. Zudem ist das Duo Mitbegründer der Ehrenfeldstudios in Köln – ein interdisziplinärer Produktionsort für Tanz und Performance, Zeitgenössischen Zirkus und Medienkunst. Im Juni 2016 wird in Köln das Projekt „X [ɪks]“ als erste Produktion der Reihe „Circus experiments#“ Premiere feiern.

 

Choreographie Overhead Project -

Bühne Till Kuhnert -

Kostüme Sabine Schneider -

Musikkomposition Simon Bauer -

Dramaturgie Dr. Christoph Gaiser

 

Tänzer Yu-Min Yang, Milan Kampfer, Marcel Casablanca Martínez , Evan Schwarz, Ruud Sanders, Winston Ricardo Arnon, Norikazu Aoki

Tänzerinen Rebecca Journo, Kalin Morrow, Nozomi Matsuoka, Angela Demattè, Marieke Monquil , Olive Lopez

 

Weitere Vorstellungen 04., 08., 22., 24. Mai | 01., 08., 10., 14., 22. Juni 2016 |

Einführung 30 Min vor der Vorstellung (ausser Premiere)

 

 

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