Antonia und Sam begegnen einander, ziehen sich in den Garten des weltmüden Musikers zurück. Antonia, die Sams Spiel, seine Flüchtigkeit durchschaut und ihm dennoch unrettbar verfällt, nimmt Abschied von allem. Die Natur übt ihre Wirkung aus: Antonias Sehnsucht nach Neuem wächst mit dem Aufflammen ihres Begehrens ins Unermessliche, sie kündigt ihren Job, schwänzt ihre Geburtstagsparty, überlässt sich ihrer Liebe. Die Reflexion des laufenden Geschehens besorgen die Pflanzen, die sich in Sams Garten finden. Die Blumen, das Gesicht der Vegetation, bieten ihre eigene Show, sie intervenieren, analysieren, kommentieren, merklich eloquenter als die Menschen.
Über ihren Beziehungsroutinen, ihrer Alterspanik und ihrer Lebensangst drohen die Menschen den Verstand zu verlieren; sie übersehen und missverstehen die Ein- und Übergriffe der Natur. Die Blumen hängen weniger am Leben als der Homo sapiens, das ist ihr Vorteil. So setzt der Garten einen Racheakt in Szene: Die Natur erweist sich im Kampf gegen die Menschenkultur als souverän. Mit trockenem Dialogwitz und in kühnen Zeitsprüngen dramatisiert Hilling die letzten Dinge: letzte Kontaktaufnahmen, letzte Worte und letzte Berührung. Selbst die Zusammenführung der Liebenden ist nur eine Laune der Natur. Dem Alleinsein ist nicht zu entgehen, mit bloßer Gesellschaft ist der Einsamkeit nicht beizukommen.
"Theater lässt mich kalt, wenn es Theater bleibt, ich warte auf Wahrheit, will die Zeit vertiefen, nicht verlängern, den Raum vergrößern, nicht diskutieren, die Stühle stehen zu eng, der Boden reißt nicht auf, der Text kommt auswendig, die Seele pennt ein, Theater kickt mich, wenn es über Grenzen geht, mich verletzt und wegschießt, den Moment nimmt und daran zerbricht, ihn nicht halten zu können, ich schreibe fürs Theater, weil ich besessen bin von der Form, dem Witz des Körpers und anderer Grenzen, von der Sehnsucht, den unwiederbringlichen Augenblick zu fassen, weil ich verrückt bin nach Augen, von der Kraft gebannt, die hin- und herspringt zwischen der Brutalität der Welt und dem Wahnsinn der Gedanken, wenn zwei Menschen sich gegenüberstehen, ich fass es noch nicht, ich mach weiter, es wär so schön, den Kleingeist ins Universum zu werfen, eine Sekunde in die Ewigkeit und sie in die Tonne zu treten in dem Moment, in dem das Spiel beginnt, ich hab keine Ahnung, wer ich bin, was ich hier tu, und was ihr wollt, aber ich liebe das Zeug, und ich werde jeden lieben, der hört, dass ich schreie, mit freundlichen Grüßen Anja Hilling, 2011, Berlin."
Regie Felicitas Brucker
Bühne Susanne Hiller
Kostüm Sara Schwartz
Musik Christopher Roth
Musik Werner Sturmberger
Musik David Wukitsevits
Mit
Vincent Glander
Veronika Glatzner
Steffen Höld
Katja Jung
Nicola Kirsch
Max Mayer
Thiemo Strutzenberger
weitere Termine:
Do, 08. Dezember 2011
Fr, 16. Dezember 2011
Sa, 17. Dezember 2011
Do, 29. Dezember 2011