Immer weniger wird die Leistung bewertet und immer mehr die Persönlichkeit. Via Internet und Handy wird die private Sphäre immer mehr aufgelöst. Es gibt Soziologen und Neurologen, die entdeckt zu haben glauben, dass die Angst uns gut tut, dass nur sie uns fit für die Herausforderungen macht, die die Zukunft an die Menschheit stellen wird. – Trotzdem häufen sich in Kliniken und Therapiestationen unheilbare Angstdefekte. Psychopharmaka werden zum Treibstoff unserer Arbeitswelt.
Schorsch Kameruns Projekt «Biologie der Angst» will den Bereich der Unschärfe zwischen Angst als Motor und Angst als Gift poetisch-spielerisch ergründen. Das Bühnenbild in der Halle 2 gleicht einer Versuchsstation für Psychotests, wird jedoch im Spiel als Klinik bezeichnet, deren Patienten nie gewiss sein können, ob sie dort zum Zweck der Heilung oder Teil eines gross angelegten Menschenversuchs sind. Da sind Ärzte und Patienten, die sich gegenseitig Aufgaben stellen. Eine besondere Rolle spielt der Wunderheiler, der den Abend moderieren wird, und dessen Ziel es offensichtlich ist, das Publikum zu therapieren, wozu die Bühnenshow ihm ein willkommenes Mittel ist. Die Vorstellung nimmt insgesamt einen – aus Kameruns Projekten schon bekannten – revuehaften Charakter an. Constanze Kümmel, die bereits die Bühne der Zürcher Inszenierung von «Metropolis» ausgestattet hat, baut wiederum ein grosszügiges, aber auch verstörendes Bild, in dem Fernsehquiz, Versuchsraum, Kinderparadies ineinander übergehen.
Schorsch Kamerun arbeitet seit 2000 regelmässig am Schauspielhaus. In der letzten Spielzeit realisierte er im Atrium des Schiffbaus die winterliche Freiluftinszenierung «Lockruf des Katzengoldes» nach Jack London. In «Biologie der Angst» bindet Kamerun zusätzlich zu den professionellen Darstellern und einer Tänzerin eine Gruppe von Experten ein: Angstpatienten, die zum Teil in jahrelanger Praxis gelernt haben, mit Angstsymptomen umzugehen.
Regie Schorsch Kamerun – Bühne Constanze Kümmel – Kostüme Daniele Selig – Musik Jonas Landerschier – Choreografie Zenta Haerter – Video Meika Dresenkamp – Licht Sascha Haenschke – Dramaturgie Andreas Erdmann
Mit: Mirjam Heimann, Fabian Hinrichs, Marcus Kiepe, Miriam Maertens, André Meyer, Natasha Ng, Michael Ransburg und Marie-Lies Birchler, Beatrice Haupt, Tamar Pollak, Norbert David Lohrmann