„Der Naturzustand ist ein Zustand des Krieges, Frieden muss gestiftet werden.“ proklamiert Kant in seinem Entwurf „Zum ewigen Frieden“, später Vorlage der UNO-Charta. Wie geht so ein Akt der Friedensstiftung? Während im hiesigen Alltag die Positionen immer weiter auseinanderdriften, entsteht zum 9. November im Theater im Delphi ein Ort der Konklusion. Die Performer:innen beschwören Frieden in einer theatralen Séance oder auch in Selbstkasteiungen, fortwährend andere Wangen hinhaltend. Sie stürzen sich diskursiv in Denkfiguren von Kant oder Latour, um sie aufs banale wie desaströse Jetzt anzuwenden. Sie blasen neoliberale oder sozio-aktivistische Friedensutopien in ihre Absolutheit auf – bis zum Platzen. Liebreizende Versprechen heutiger Friedensdemagogen werden auf der als verruchtes Moka Efti aus Babylon Berlin bekannten Delphi-Bühne bis in ihre Perversion ausgestülpt.
Ist es möglich, aus den sich reibenden Friedenssehnsüchten und ihren Trümmern im Labor des Theaters neue Klarheiten zu kristallisieren?
Przemek Zybowski, Autor und Psychiater, schreibt für die Arbeit das dramatische Langgedicht „Oh wie schön ist das Westerland“, ein traumatisches Tiefenpsychogramm west-östlicher Beziehung. Emilia Lomakova und Viktor Krysyuk komponieren an Gitarre, Cello und Soundsystem Klänge zwischen romantischer und neuer Musik, ihre Zerrissenheit zwischen Ausnahmezustand in der Ukraine und Berliner Alltag aufspürend. Die Live-Musik trifft auf die verkörperten Ordnungssysteme und Friedensvorschläge westlicher Denker:innen wie Populist:innen - und auf Bildbomben des Videokünstlers Pedro Deltell.
Mit englischen Übertiteln
Idee & Regie: Heiko Michels
Autor: Przemek Zybowski…und das Team
Komposition & Live-Musik: Emilia Lomakova
Schauspiel: Amira Hadžić, Mariann Yar,
Johannes Suhm, Martin Heesch
Bühne & Video: Pedro Deltell
Kostüm & Gestaltung: Nouma Bordj
Dramaturgie: Frank Weiß
Podiums- und Publikumsdiskussion
"Schuld und Frieden" - am 10. 11. nach der Vorstellung.
Mit Irina Scherbakowa, Gründerin von Memorial (Friedensnobelpreis 2022), der Theaterkritikerin Esther Slevogt (Gründerin nachtkritik), dem Philosophen Olaf Müller, (Pazifismus. Eine Verteidigung, 2022) und dem Essayisten Guillaume Paoli (Geist und Müll. Von Denkweisen in postnormalen Zeiten, 2023).
Gefördert aus Mitteln des Landes Berlin / Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt.